Täter vor Festnahme fast erschossen

Norwegen: Weiter Kritik an Polizei

In Norwegen wird eine Kommission den Einsatz der Polizei nach den Anschlägen in Oslo und auf der Insel Utöya untersuchen. Das hat Regierungschef Jens Stoltenberg angekündigt. Der Polizei wird vorgeworfen, sie habe nicht rasch genug reagiert. Vor seiner Festnahme wäre der unbewaffnete Täter beinahe durch die Polizei erschossen worden.

Mittagsjournal, 28.07.2011

Schießbefehl zurückgezogen

Es handelte sich nur um Sekunden: Der Attentäter beim Massaker auf der Insel Utöya sollte durch Schüsse unschädlich gemacht oder getötet werden. Wie die norwegische Nachrichtenagentur NTB berichtet, hatten Angehörige der Eliteeinheit kurz vor der Festnahme bereits auf Anders Behring Breivik angelegt. Als sich einer der Polizisten sicher war, dass der 32-Jährige unbewaffnet war, wurde der Schießbefehl in letzter Sekunde zurückgenommen. Ausschlaggebend sei gewesen, dass Breivik keinen Sprengstoff am Körper trug, hieß es. Der Attentäter kam mit erhobenen Armen auf die Beamten zu.

Wäre Massaker zu verhindern gewesen?

Der Vater eines Mädchens, das in einem Feriencamp auf Utöya war, berichtet, er sei von der Polizei nicht Ernst genommen worden, als er einen beunruhigenden Anruf seiner Tochter von der Insel meldete. Dazu kommt eine Panne mit einem Boot, das die Eliteeinheit zur Insel transportieren sollte. Manche sind überzeugt, dass die Bluttat sogar verhindert werden hätte können. Auch das soll durch die Untersuchungskommission geklärt werden.

Breivik erschoss am vergangenen Freitag in einem Sommerlager der sozialdemokratischen Jugendorganisation AUF mindestens 68 Menschen. Bei einer von ihm zuvor ausgelösten Bombenexplosion im Osloer Regierungsviertel wurden acht Menschen getötet. Eine Woche nach den Anschlägen soll am Freitag in Oslo eine Gedenkfeier stattfinden.

Rechtspopulisten schweigen

Anders Breivik war bis 2.006 Mitglied der rechtspopulistischen Fortschrittspartei, die bei den Wahlen im Jahr 2.009 fast 23 Prozent der Stimmen erhalten hat. Aber auch in anderen skandinavischen Ländern sind rechtspopulistische Parteien im Parlament vertreten, so etwa in Finnland, wo die "Wahren Finnen" bei den Wahlen im Frühjahr 19 Prozent der Stimmen erhalten haben. Normalerweise melden sich die "Wahren Finnen", wenn es um Einwanderung oder EU geht, lautstark zu Wort. Doch nun, nach den Anschlägen von Norwegen, schweigen sie.

Mittagsjournal, 28.07.2011

Bericht von Ann Katrin Johannsman