Verfassungsrechtler: "absurd"
Kopiergebühren an Gerichten wieder höher
Kaum hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) beschlossen, die hohen Kopiergebühren an den Gerichten auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, kommt schon die nächste Verteuerung: Am Montag wird die Gebühr, mindestens 50 Cent pro Seite, erhöht. Verfassungsrechtler Heinz Mayer hält die Gebühren für absurd.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 29.7.2011
Wolfgang Werth
Kosten gehen in die Zehntausende
Es geht darum, dass die Gerichte auf Geheiß des Ministeriums jedes Mal 50 Cent Gebühr verlangen müssen, wenn ein Anwalt im Gerichtsgebäude eine Aktenseite kopiert oder auch nur mit der eigenen Handykamera fotografiert. Wenn es ein Gerichtsbediensteter erledigt, kostet es das Doppelte. Das kann in die Zehntausende gehen, in einer Klagenfurter Rechtssache wurden da schon einmal 20.000 Euro fällig.
Zahlen für Überwachung
Die Rechtsanwaltskammer beschwert sich schon seit langem, der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser spricht von "reiner Abzocke" - und jetzt hat sogar der Verfassungsgerichtshof Bedenken. Er will nicht nur aufgrund konkreter Beschwerden, sondern von Amts wegen prüfen, ob es sein darf, dass das Justizministerium dermaßen viel Geld pro Aktenseite einheben lässt.
Eine Deckelung, also einen Höchstbetrag pro Verfahren, gibt es nicht. Das Justizministerium rechtfertigt sich damit, dass ja der fotografierende Anwalt überwacht werden müsse, damit die Akten nicht manipuliert würden.
Überschüsse für Strafvollzug
Stolz berichtet das Ministerium auf seiner Website, dass die Justiz ein effizientes Unternehmen sei. Bekannt ist auch, dass Überschüsse aus dem täglichen Prozessbetrieb zum Beispiel in den Strafvollzug fließen.
Im Jahr 2010 wurden an österreichischen Gerichten 70 Millionen Euro mehr eingenommen als ausgegeben. Dazu passend eine Untersuchung des Europarats aus dem Jahr 2008: Schon damals deckten die Gerichtsgebühren die Kosten der Justiz zu 111 Prozent, der Durchschnitt in Europa lag bei rund 25 Prozent. Seither wurden die Gebühren in Österreich nach Auskunft der Rechtsanwaltskammer sogar noch zwei Mal erhöht.
VfGH gibt es günstiger
Es wird ein paar Monate dauern, bis der VfGH die Prüfung erledigt hat, aber der Prüfungsbeschluss lässt fürs Justizbudget nichts Gutes erahnen: Zu prüfen seien der Gleichheitsgrundsatz, das Sachlichkeitsgebot und der Grundsatz des fairen Verfahrens. Üblicherweise dauert so eine Prüfung ein Dreivierteljahr, in den meisten Fällen gibt der Verfassungsgerichtshof seinen Anfangszweifeln recht. Übrigens: Am VfGH zahlt man als Rechtssuchender fürs Kopierservice 20 Cent pro Seite, selber Scannen ist gratis.
Karl: "Günstiges Justizsystem"
Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) kündigte unterdessen für Herbst einen Gesetzesvorschlag an, der die Halbierung der Kopiertarife vorsehen soll. Hinsichtlich einer Senkung der allgemeinen Gerichtsgebühren, etwa für Zivilklagen und Exekutionsverfahren, sieht sie laut einem Interview in der "Kleinen Zeitung" (Donnerstagausgabe) keinen Handlungsbedarf: Österreich habe im Europavergleich ein "günstiges Justizsystem". Verfassungsrechtsprofessor Heinz Mayer ist da ganz anderer Meinung.
Mittagsjournal, 29.7.2011
Wolfgang Werth
Mayer: "Staatsanwalt muss nichts zahlen"
"Verletzt ist dadurch das Verteidigungsrecht des Betreffenden, aber auch die Waffengleichheit, denn der Staatsanwalt kann sich natürlich den Akt recht einfach kopieren und muss nichts bezahlen. Das ist mitunter ein schwerer Eingriff in die Verteidigungsrechte", sagt der Experte.
Der Zugang zu den Gerichten sei gefährdet, so Mayer. Solche Prozesse könnten nur noch Begüterte führen, für die es kein Problem ist, 20- bis 40.000 Euro auf den Tisch zu legen. Kernaufgaben des Staats wie auch Polizei und Schulen seien aus dem Steueraufkommen zu finanzieren.