"Fast jeder" kann Lehrer werden

Lehrermangel drückt die Qualität

Der Bildungsexperte Andreas Salcher kritisiert die geplanten Eignungsverfahren für Lehrer als "Farce". Wegen drohenden Lehrermangels müsse man praktisch jeden nehmen. Bei den Pädagogischen Hochschulen gibt man zu, dass die Auswahl strenger ausfiele, wäre die Lage am Lehrerarbeitsmarkt nicht so angespannt.

Mittagsjournal, 01.08.2011

Eine Frage der Umstände

Die Rektorin der größten Pädagogischen Hochschule Wien, Dagmar Hackl, bestätigt, dass der drohende Lehrermangel die Auslese beeinflusst. Denn in den nächsten Jahren gehen außergewöhnlich viele Pädagogen in Pension. Dagmar Hackl sagt, unter anderen Umständen würde man wohl einigen Bewerbern empfehlen, sich ein anderes Studium zu suchen. Mit Begleitmaßnahmen versuche man den Studierenden zu helfen, ihre sozialen und kommunikativen Fähigkeiten zu verbessern, sagt Rektorin Hackl - und das ist immerhin die Kernkompetenz des Lehrers von heute. Einen Bewerber wegen Mängeln in diesem Bereich abzulehnen, ist nicht möglich.

Soziale Mängel kein Kriterium

Es gibt zwar sehr wohl "Muss"-Erfordernisse für angehende Lehrer - nämlich das Beherrschen der deutschen Sprache, die musikalische Eignung und die physische Eignung - um etwa Volksschulkinder im Turnunterricht sichern zu können. Wenn sich hier Mängel auftun werde klar gesagt, dass das Lehramt nicht zu erreichen ist, erläutert Dagmar Hackl. Bei sozialen oder kommunikativen Mängeln "kann man das nicht", so Hackl. Schließlich seien die Studenten noch in einer Entwicklungsphase, in der sich noch vieles ändern könne und solle.

Geringe Selektion

In Finnland ist das anders. Dort werden 90 Prozent aller Bewerber für den Lehrerberuf abgelehnt, bei uns ist die Quote bescheidener. Josef Sampl, Rektor der Pädagogischen Hochschule Salzburg, berichtet von 16 bis 19 Prozent der Bewerber, die aufgrund fehlender Eignung abgewiesen würden.

In Wien beziffert Rektorin Hackl die Auslesequote von der Voranmeldung bis zum Studium mit 30 Prozent. Aktiv abweisen müsse man zehn Prozent, "aber das müssen dann schon sehr nachvollziehbare Fakten sein, um so einen Bescheid auszustellen."

Lückenschluss

Also durchaus noch Spielraum bei den Eignungstests, die ja im Zuge der neuen Lehrerausbildung auch an den Universitäten eingeführt werden sollen. Denn derzeit können die relativ wenigen, die von den Pädagogischen Hochschulen abgelehnt werden, problemlos an der Universität Lehramt studieren. Der Salzburger Rektor Josef Sampl bringt es so auf den Punkt: "Die gehen in Salzburg über die Straße und schreiben sich auf der anderen Straßenseite ein." Zumindest mit dieser Unsitte soll, wenn es der Politik ernst ist, 2013 Schluss sein.