Salzburger Shakespeare mit Gert Voss

"Maß für Maß" und die Gerechtigkeit

Was ist gut, was ist böse? Diese grundsätzliche Frage steht bei den Salzburger Festspielen im Mittelpunkt des Schauspiel-Programms. Zunächst mit Goethes "Faust", jetzt mit dem Shakespeare-Lustspiel "Maß für Maß", das am 17. August 2011 im Salzburger Landestheater Premiere hat.

Es geht um die Frage von Recht und Rechtsstaatlichkeit. Zentrale Figur ist ein Herzog, gespielt von Gert Voss.

Mittagsjournal, 12.08.2011

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Salzburger Festspiele - Maß für Maß

Gert Voss gibt Macht ab

Der Herzog, gespielt von Gert Voss, entschließt sich, einen Vertrauten für kurze Zeit als Regenten einzusetzen, einen strengen, tugendhaften jungen Mann, der exekutieren soll, was er, der Herzog selbst, nicht durchführen wollte. Bis hin zur Todesstrafe.

Recht und Gerechtigkeit

Da "Maß für Maß" im Untertitel als Lustspiel bezeichnet wird, erweist sich auch die Tugend als wankelmütig und mit List und Geschick und auch Manipulation fügt Shakespeare Paare zusammen und sogar für einen Schluss, der als Happy End durchgehen kann - der aber den Blick auf die entscheidende Frage nicht vernebeln soll: "Wo ist der Unterschied zwischen Recht, Rechtstaat und Gerechtigkeit?"

Eine Frage, so Regisseur Thomas Ostermeier, an der sich auch heute Gesellschaft und Rechtsprechung reiben: "Da ist man auch bei der Diskussion: Was bringt die Todesstrafe? Wir wissen statistisch gesehen: In Amerika bringt sie gar nichts, weil trotz Todesstrafe in Amerika wesentlich mehr Morde geschehen als beim gleichen Besitz der Waffen in Kanada, wo es keine Todesstrafe gibt. Und das Prinzip von Gnade, das geht uns auch heute noch ab. Dieses Prinzip geht uns in Deutschland auch ab, indem man zum Beispiel sagt: Es gibt keine Begnadigung für die RAF-Terroristen, obwohl es unserem Staat sehr gut zu Gesicht stehen würde, dort Gnade walten zu lassen."

Ein Mann mit Menschenkenntnis

Ausgetragen wird der Konflikt in der Salzburger Inszenierung zwischen Gert Voss als Herzog Vincentio und dem 35 Jahre jüngeren Lars Eidinger als Angelo.

Frage an Gert Voss: Setzt Menschenkenntnis ein gewissen Alter voraus? "Natürlich ist der Vincentio - und dafür gibt es einige Hinweise im Text - ein älterer Mann als die anderen. Und er spricht auch von seiner alten Menschenkenntnis; und dass er ein Mann ist, der eine große Menschenkenntnis hat, das würde ich ihm sofort zusprechen. Aber man muss nicht unbedingt ein guter Mensch sein, wenn man Menschenkenntnis hat. Er weiß zumindest sehr genau, Menschen zu manipulieren. Und das macht er. Aber in seinem Sinn für eine gute Sache, nämlich eine Art von Gerechtigkeit zu finden."

Neuübersetzung in Prosa

Komplizierte Fragen also, deren Kern das Publikum verstehen soll. Deshalb wurde "Maß für Maß" für diese Produktion von Marius von Mayenburg neu übersetzt - in Prosa. Shakespeare in heutiger Sprache spielen zu können, Engländer beneiden Theater anderssprachiger Länder drum, erzählt Thomas Ostermeier: "Der Leiter des National Theatre sagt mir: Ihr habt es so gut, ihr könnt den Shakespeare in eurer heutigen Sprache machen und ihr versteht ihn dann auch. Weil unsere Leute verstehen ihn nicht."

Verständlichkeit und Bühnentauglichkeit von Shakespeares "Maß für Maß" müssen sich ab Mittwoch der nächsten Woche bei den Salzburger Festspielen beweisen.