Dramatische Szenen in Tripolis

Die Nacht des Umsturzes

Vor sechs Monaten hat der Aufstand gegen Muammar al-Gaddafi in Libyen begonnen. Noch vor einer Woche schien völlig undenkbar, was sich jetzt in Libyen abspielt. Aber in den vergangenen Stunden ist alles ganz schnell gegangen, innerhalb weniger Stunden hatte das Regime so gut wie kein Fundament mehr.

Mittagsjournal, 22.8.2011

Rebellen haben leichtes Spiel

Wie auf ein geheimes Kommando hin haben sie sich auf den Weg gemacht: Tausende Rebellen treten, unterstützt von der NATO, an zum Marsch auf die Hauptstadt, wo Gaddafi noch mit dem stärksten Rückhalt rechnen kann. Aber dann die große Überraschung.

Viele Soldaten haben sich ihrer Montur entledigt, die Uniformen liegen auf der Straße, die Aufständischen, die aus mehreren Richtungen kommen, haben leichtes Spiel. Die Sondereinheiten, die Tripolis im Extremfall verteidigen sollten, treten überhaupt nicht in Erscheinung. Sie dürften zu den Rebellen übergelaufen sein oder sich versteckt halten.

"Rettet Tripolis!"

Es heißt, ihr Kommandant habe schon seit längerem mit den Aufständischen verhandelt - ein großer Vorteil für die Gaddafi-Gegner, mit diesem geradezu sanften Vorstoß haben sie wahrscheinlich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen gerechnet. Währenddessen versucht Gaddafi noch einmal seine Anhänger zu mobilisieren.

"Rettet Tripolis, es darf nicht brennen so wie Bagdad. Lasst das nicht zu, Tripolis, die schöne, sichere Stadt darf nicht zerstört werden!", so Gaddafi in seiner bisher letzten Botschaft an sein Volk.

Mussa will Waffenstillstand

Sein Pressesprecher Ibrahim Mussa fordert mittlerweile schon einen Waffenstillstand.

"Es ist schrecklich für beide Seiten", sagt Ibrahim Mussa, "daher lasst uns alle militärischen Operationen einstellen, die NATO soll einen entsprechenden Befehl an die Rebellen ausgeben, wir halten unsere Leute zurück, und dann lasst uns verhandeln", so Mussa.

Gaddafi-Söhne in Rebellenhand

Die Rebellen sind im Zentrum von Tripolis angekommen, auf dem legendären grünen Platz wird schon gefeiert, die Stadt ist voll von Gerüchten.
Vorübergehend heißt es sogar, Muammar Gaddafi sei festgenommen worden, aber es sind drei seiner Söhne, die in die Hände der Rebellen gefallen sind.

Die Zuseher von al-Jazeera können die Festnahme des ältesten Sohnes Mohammed live miterleben.

Niedergang des Regimes

Mohammed Gaddafi schildert gerade am Telefon, wie sehr er den Bruderkampf verabscheue, als plötzlich Schüsse fallen. "Mein Haus wird belagert", kann Mohammed noch sagen, "es ist Gottes Wille." Dann bricht die Verbindung ab.

Der älteste Sohn des Diktators ist in der Hand der Rebellen, unverletzt, wie die Aufständischen betonen. Auch Saif al-Islam, zuletzt als Nachfolger seines Vaters im Gespräch, wird gemeinsam mit seinem Bruder Al-Saadi festgenommen. Der Niedergang einer Familie, eines Regimes, ist besiegelt.