Mit Aserbaidschan steht und fällt das Projekt
Nabucco: Entscheidung über Gas im Herbst
Nach nur zweieinhalb Jahren Bauzeit hat Moskau die Ostseepipeline Nord-Stream in Testbetrieb genommen. Das europäische Pipeline-Projekt Nabucco hingegen, das Europa vom russischen Gas unabhängig machen soll, kommt nicht vom Fleck. In diesem Herbst könnte sich entscheiden, ob das Megaprojekt gebaut wird - oder platzt.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 10.9.2011
Thomas Hadinger
3.900 Kilometer langes Rohr bis nach Wien
Wenn alles nach Plan läuft, führt in sechs Jahren ein Stahlrohr von Aserbaidschan bis vor die Tore Wien. 3.900 Kilometer lang, über sechs Ländergrenzen hinweg und so groß, dass ein Mensch gebückt hindurchgehen könnte. Wenn alles nach Plan läuft, strömt durch dieses Rohr Erdgas vom kaspischen Meer bis vor die Tore Wiens.
Gaslieferanten unklar
Seit knapp acht Jahren wird um dieses Projekt namens Nabucco verhandelt, Zeitpläne und Baubeginn wurden mehrmals nach hinten verschoben. Die Zweifel, ob die Pipeline tatsächlich kommt, mehren sich. Denn nach wie vor ist unklar, wer die Pipeline befüllen soll. Fixe Lieferzusagen fehlen noch.
Nabucco hält an Zeitplan fest
Nabucco-Geschäftsführer Reinhard Mitschek ist dennoch zuversichtlich, dass der Zeitplan hält. Die Investitionsentscheidung soll nach derzeitiger Sicht 2012 fallen, der Baubeginn sei für 2013 vorgesehen, und das erste Gas soll in sechs Jahren, also 2017 fließen, bekräftigt Mitschek.
Hoffnung liegt auf Aserbaidschan
Derzeit hängt aber alles von den Lieferzusagen Aserbaidschans ab. Das Land hat drei Konsortien - darunter Nabucco – eingeladen, bis Anfang Oktober verbindliche Angebote zu Förderung und Transport von Erdgas vorzulegen. Aserbaidschan jedoch hält sich alle Optionen offen. Eine Entscheidung, ob Nabucco und seine Partner zum Zug kommen, soll es diesen Herbst geben. Das Land soll der Pipeline etwa zehn Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr liefern.
Pipeline braucht weitere Gaslieferanten
Doch selbst wenn Aserbaidschan grünes Licht gibt, braucht Nabucco Lieferzusagen von weiteren Ländern, um die Pipeline, die 31 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr ausgelegt ist, voll auszulasten. Turkmenistan ist im Gespräch, ebenso wie der Irak. Doch der Irak ist politisch instabil und scheidet daher mittelfristig als Partner aus. Und an den turkmenischen Gasvorräten ist auch Russland interessiert.
Europäische Kommission macht Druck
Falls Nabucco also keine Lieferzusagen von Aserbaidschan bekommt, könnte das ganze Projekt gefährdet sein, meinen Beobachter. So schwarz will das Johannes Benigni, Ölmarktexperte von JBC-Energy, nicht sehen. "Der politische Wille ist groß, die EU versucht Druck auf Aserbaidschan aufzubauen. Darum halte ich das Nabucco-Projekt aus derzeitiger Sicht noch für sehr lebendig", so Benigni.
Nabucco: Preisexplosion möglich
Wird Nabucco gebaut, wird es offensichtlich teurer werden als ursprünglich geplant. Bislang ging man von Kosten in Höhe von 7,9 Milliarden Euro aus. Nabucco-Chef Reinhard Mitschek kündigt jedoch an, in „absehbarer Zeit“ mit einer revidierten Kostenabschätzung an die Öffentlichkeit gehen zu wollen.
Ob es der EU gelingt, sich mit der Nabucco von der Abhängigkeit russischer Gasimporte zu befreien, bleibt also weiterhin unklar.