Warum Italienierinnen kaum Kinder bekommen
Zu wenige Bambini in Italien
Italien gehört zu den Ländern mit den niedrigsten Geburtenraten Europas. Gerade einmal 1,42 Kinder bekommt die durchschnittliche Italienerin. Das ist schon seit vielen Jahren so. Hohe Arbeitslosigkeit unter jungen Erwachsenen und astronomische Mieten erschweren die Familiengründung, ebenso wie wenig und extrem teure Kinderbetreuung.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 27.09.2011
Mehrheit der Kinder von Nicht-Italienern
51,4 Prozent aller Kinder, die in Novi di Modena geboren wurden, haben Eltern, die keine Italiener sind. Dass es früher oder später so kommen musste, war allen klar. Es war nur die Frage, welche die erste Gemeinde Italiens sein wird, wo es soweit ist. Denn wie überall in Europa bekommen auch hier Zuwandererfamilien mehr Kinder als einheimische.
Lega Nord: "Skandal"
Reflexartig sind dazu auch die politischen Reaktionen. Die rechte Lega Nord spricht von einem Skandal - es könne nicht angehen, dass ausländische Kinder jetzt in jene Kindergärten gehen, die von den Einheimischen gebaut wurden und dass ausländische Mütter Karenzgeld bekommen, das Italiener mit ihren Steuern bezahlen.
"Italien wird bunter"
Die Bürgermeisterin von der Demokratischen Partei, Luisa Turci, hat gesagt: "Für uns sind sie einfach Kinder und Kinder haben keine Farbe." Auch die Einwohner sehen die Sache gelassen. Eine Frau sagt: "So werden wir wenigstens etwas weltoffener. Das kann ja nur gut für uns sein, denke ich, wenn Menschen aus anderen Ländern hierher kommen und auch ihre Kinder hier bekommen. Es gibt ohnehin zu wenige Kinder hier im Land. Vielleicht wird es etwas bunter bei uns. Ich denke, so wie in London oder Amerika."
Schulen überfordert
Novi di Modena ist eine durchschnittliche Stadt in Italien, aber doch auch ein Modell für die Frage, wie die italienische Gesellschaft mit den Problemen der Bevölkerungsentwicklung umgeht. Schon jetzt sind viele Schulen mit der großen Anzahl von Kindern überfordert, die kaum Italienisch sprechen. In Zeiten der Sparpakete darf man sich aber keine zusätzlichen Lehrkräfte erwarten, auch wenn das Experten fordern.
Italien sehr kinderfreundlich
Und natürlich stellt sich auch eine weitere Frage: Warum bekommen so wenige Italienerinnen Kinder? An der Kinderfreundlichkeit des Landes kann es nicht liegen. Im Gegensatz zu Österreich, wo man manchmal das Gefühl bekommen kann, kleine Hunde sind beliebter als kleine Kinder, wird in Italien nach wie vor ein Riesenzirkus um den Nachwuchs gemacht. Egal, ob im Restaurant, oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln - Kinder bekommen Vorzugsbehandlung.
Keine Jobs und hohe Mieten
Und tatsächlich ist es nicht der fehlende Kinderwunsch, sondern es sind die fehlenden Möglichkeiten - vor allem die wirtschaftlichen. Bei einer Arbeitslosenrate von 30 Prozent bei jungen Erwachsenen ist es kein Wunder, dass viele sagen, sie können sich schlicht kein Kind leisten. Viele wohnen. bis sie in die Dreißiger kommen. bei ihren Eltern, weil die Mieten in den Städten zum Teil astronomische Höhen angenommen haben.
Kindergärten extrem teuer
Und dann kommt noch eine Sache ins Spiel die auch in Österreich seit vielen Jahren diskutiert wird. Sie ist allerdings hier in Italien noch viel problematischer: Die Frage der Kinderbetreuung. Ein Kindergartenplatz, so man überhaupt einen bekommt - schlägt gleich einmal ein kratertiefes Loch ins Familienbudget. Rund 500 Euro muss man dafür pro Monat rechnen. Von der öffentlichen Hand gefördert werden nur Familien, in denen beide Elternteile arbeiten.
Drei Monate Sommerferien in Kindergärten
Doch das ist mit Kind hier in Italien eine echte Herausforderung. Haben doch Kindergärten im Sommer oft bis zu drei Monaten geschlossen.
Einwanderer passen sich Geburtenraten an
Und so kommt das Bevölkerungswachstum von 0,5 Prozent pro Jahr in Italien ausschließlich von der Zuwanderung. Ohne sie würde die Einwohnerzahl Italiens sinken. Doch schon in zweiter, spätestens dritter Generation haben sich Zuwanderer den italienischen Verhältnissen angepasst. Und so wird laut Eurostat bis 2030 ein Viertel der Bevölkerung Italiens älter als 65 Jahre sein.