Stimmung der Italiener am Boden

Jugend ohne Perspektive

Jugend ohne Perspektive gibt es nicht nur in Spanien, auch in Italien macht sich immer mehr Hoffnungslosigkeit breit. Die Stimmung im Land ist jetzt von der Tageszeitung "La Repubblica" erhoben worden.

Mittagsjournal, 23.05.2011

Es geht nach unten

"Im sozialen Fahrstuhl geht es nur mehr in eine Richtung - und zwar nach unten. Und das immer schneller." Mit diesen Zeilen fasst die Tageszeitung Repubblica jene Umfrage zusammen, die seit Jahrzehnten jedes Jahr gemacht wird - um die wirtschaftliche Zufriedenheit der Italiener zu messen. Und wie auch in Spanien sind es vor allem die jungen Menschen, die sich einer wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit gegenüber sehen. Dabei ist Italien trotz vieler Probleme ein Land mit starker Wirtschaft - vor allem in der Industrie. Doch die Kluft der Habenden - und der Nichthabenden wird immer größer.

Armut unter den Arbeitern

Das erste Mal seit Anfang der 80iger Jahre bezeichnet sich wieder eine Mehrheit der Befragten als Mitglied der Arbeiterschaft oder der Unterschicht - und nicht als zur Mittelschicht gehörig.

Vor allem bei den Handwerkern rutschen viele wieder in die Armut zurück. An Familiengründung ist nicht zu denken. Die finanzielle Unterstützung des Staates für Familien mit Kindern ist weit geringer als in Österreich. In den großen Städten kostet ein Kindergartenplatz gleich einmal 500 Euro pro Monat. Eine einfache zwei Zimmer Wohnung in Rom mindestens 1.200 Euro. Kein Wunder, dass Italien die geringste Geburtenrate Europas hat - Kinder kann man sich schlicht nicht leisten ist das gängige Wort.

Hohe Arbeitslosigkeit

Und auch am Arbeitsmarkt sind junge Menschen fast ausschließlich im Prekariat zu finden. Das gilt aber nicht nur für Büro Berufe. Auch 44 Prozent in handwerklichen Berufen haben keine Anstellung mehr, und müssen mit meist nur wenigen hundert Euro pro Monat durchkommen.

Volkszorn macht sich Luft

Immer öfter macht sich der Volkszorn auf der Straße Luft. Und es sind auch die Eltern und Großeltern die gegen die prekären Arbeitsverhältnisse marschieren - so wie hier in Palermo: "Ich heiße Giuseppe La Mendua, bin Pensionist und Großvater. Heute bin ich hier um meine Kinder zu unterstützen. Meine Tochter hat selbst ein kleines Kind. Sie weiß nicht wie sie ihre Rechnungen bezahlen soll. Sie bekommt immer nur prekäre Jobs dabei ist sie gut ausgebildet. Das kann ja nicht sein. Die Politik kümmert sich nur um sich selbst. Dabei sind das die Probleme."

Wirtschaft geht es gut

Bei den jungen Menschen unter 25 sind laut der Umfrage, Dreiviertel davon überzeugt, sie könnten nur im Ausland Karriere machen.

Dabei steht die Wirtschaft hier in Italien bei weitem nicht so schlecht da wie etwa in Griechenland oder Spanien. Auch wenn die Ratingagentur Standard + Poors an diesem Wochenende angekündigt hat die Bewertung für italienische Staatspapiere könnte in den kommenden zwei Jahren schlechter werden.

Keine Bankenkrise

Die Bankenkrise hat Italien fast nicht berührt, weil die Banken wegen strengerer Vorschriften kaum hochspekulative Papiere in den Bilanzen haben. Der Großteil der Staatsverschuldung liegt im Inland, und die italienischen Haushalte gehören zu jenen mit der höchsten Sparquote Europas.

Starke Industrie

Außerdem ist die Wirtschaft viel stärker diversifiziert als etwa in Spanien. Es gibt eine starke Industrie: Die Region rund um Mailand gehört zu den reichsten und produktivsten in der ganzen EU. Dazu viel Landwirtschaft und einen starken Tourismus Sektor - so kommen alleine nach Rom 20 Millionen Touristen pro Jahr.

Wenige haben viel Geld

Doch warum sind dann so viele Italiener mit der wirtschaftlichen Situation unzufrieden? Schon traditionell ist es nur eine kleine Elite die wirklich das große Geld macht. Bis zur Krise ist aber auch für den Mittelstand etwas davon abgefallen. Jetzt wo weniger davon da ist, bleiben die Gewinne fast ausschließlich bei den rund 6,5 Prozent der Bevölkerung, die als Oberschicht gilt. Und wo das Geld hinfließt, weiß man auch: Alleine 125 Milliarden Euro Schwarzgeld aus Italien liegen auf Schweizer Konten schätzt die Finanzpolizei.