Kommissar: Vorschlag nur Mindestmaß
Finanztransaktionssteuer auch höher?
Der Vorschlag der EU-Kommission einer Finanztransaktionssteuer hat europaweit unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Während sich österreichische Regierungsvertreter erfreut zeigen, droht die konservative britische Regierung mit einem Veto. Im Ö1-Interview erklärt Steuerkommissar Algidas Semeta den Hintergrund der Entscheidung.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 29.09.2011
EU-Steuerkommissar Algidas Semeta im Gespräch mit Raimund Löw
"Abwanderung bleibt in Grenzen"
"Unsere Experten haben klar belegt, dass die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene möglich ist", sagt der aus Litauen stammende EU-Steuerkommissar Semeta. "Die größte Sorge war, dass dann die Finanzindustrie aus Europa abwandert. Aber unser Vorschlag ist so angelegt, dass diese negativen Folgen sich in Grenzen halten."
NGOs sollen weiter werben
Die wichtige Rolle, die Nichtregierungsorganisationen bei der Werbung für die Transaktionssteuer hatten, begrüßt Kommissar Semeta: "65 Prozent unserer Bürger unterstützen diesen Vorschlag, in 23 Mitgliedsstaaten ist das eine Mehrheit der Bürger. Die Unterstützung der Nichtregierungsorganisationen für eine solche Idee war wichtig. Ich hoffe, dass sie weitermachen mit der Werbung für diese Idee werden, sowohl in Europa als auch auf globaler Ebene.
Auch höherer Steuersatz möglich
Den Einwand, dass eine Finanztransaktionssteuer, die nur zwischen 0,1 und 0,01 Prozent beträgt, die Finanzmärkte nicht wirklich beeindrucken wird, lässt der EU-Steuerkommissar nicht gelten: "Wir nennen nur eine Mindestzahl, bei einem internationalen Abkommen könnte man die natürlich anheben. Die Mitgliedsstaaten werden das Recht haben, darüber hinaus zu gehen. Aber trotz dieser niedrigen Besteuerung bringt uns das 57 Milliarden Euro. Das ist doch ein ziemlich bemerkenswerter Betrag."
Ausnahmen für Konsumenten
Nicht erfasst werden von der Steuer Devisengeschäfte. Das wäre zwar wirtschaftlich sinnvoll, sei aber rechtlich unmöglich. Alle anderen Transaktionen, auch die spekulativen Derivatgeschäfte, sind erfasst. Nicht betroffen sind die normalen Tätigkeiten der Konsumenten, die Versicherungen abschließen oder mit Kreditkarte bezahlen, versichert EU-Steuerkommissar Semeta.
Schwierige Überzeugungsarbeit
Kaum war der Vorschlag auf dem Tisch, kam aus London bereits die Ankündigung eines britischen Vetos gegen die geplante Finanztransaktionssteuer. Auch Schweden und Tschechien lehnen die Idee ab. Der Finanzkommissar weiß, dass es eine schwierige Aufgabe sein wird, alle 27 EU-Staaten zu überzeugen: "Ich gebe zu, dass das eine schwierige Aufgabe ist, eine echte Herausforderung."
Verteilungsdebatte vertagt
Über den "Plan B", eine Transaktionssteuer zuerst einmal nur in den Euroländern einzurichten, will man vor Beginn der offiziellen Verhandlungen noch nicht sprechen. Die Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer sollen sowohl in die nationalen Budgets als auch ins EU-Budget fließen. Über das genaue Verhältnis will man erst später reden.