Prognosen für 2012 halbiert

Schwache Konjunktur bremst Schuldenabbau

Die Wirtschaftsforscher haben tiefe Sorgenfalten: Die Weltkonjunktur hat sich in den letzten Monaten deutlich verschlechtert und die Aussichten für 2012 sind enttäuschend: Die Wirtschaftsleistung Österreichs wird nur mehr um ungefähr ein Prozent wachsen. Nicht unbedeutender Nebeneffekt: Der Abbau von Schulden und Defizit macht trotz Sparkurs Pause.

Mittagsjournal, 30.09.2011

Kein Ersatz für Exporte

Das Institut für Höhere Studien (IHS) rechnet für das nächste Jahr nur noch mit 1,3 Prozent Wirtschaftswachstum in Österreich. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) prognostiziert sogar nur 0,8 Prozent Wachstum für 2012. Das entspricht im Vergleich zur letzten Prognose vor drei Monaten etwa einer Halbierung. Wifo-Chef Karl Aiginger nennt die Gründe: "Die Exporte haben den Aufschwung getragen und sie schwächen sich jetzt ab. Die Investitionen würden in dieser Phase normalerweise die Last übernehmen, sie haben auch begonnen zu wachsen, aber sie sind dann abgebrochen wegen der Unsicherheit, die es in Europa gibt. Und der Konsum ist nicht imstande, den Aufschwung zu tragen."

Trübe Stimmung

Die Turbulenzen in der Euro-Schuldenkrise, besonders die Sorgen um Griechenland, drücken schon seit mehreren Monaten auf die Stimmung der Unternehmen, stellt IHS-Chef Bernhard Felderer fest: "Das hat vor allem den Juli und August betroffen. Es hat schon vorher etwas begonnen, war aber im Sommer besonders massiv. Die Stimmung ist wichtig für Investitionen in den nächsten Monaten, sie ist wichtig für Konsum und für die ganze Wirtschaft. Und die Anzeichen, die wir bis jetzt haben, deuten nicht darauf hin, dass wir ein einigermaßen zufriedenstellendes Wachstum haben werden."

"Langfristig auf Kurs bleiben"

Auch Wifo-Chef Aiginger rät, die Budgetkonsolidierung fortzusetzen. Ein Budgetdefizit unter drei Prozent sei für heuer aber nicht mehr realistisch: "Die Steuereinnahmen werden leicht zurückgehen und die Ausgaben werden etwas steigen. Diese automatischen Stabilisatoren soll man zulassen und nicht versuchen, sie besonders zu kompensieren. Wichtig ist, langfristig auf Kurs zu bleiben, die langfristigen Kostentreiber einzufangen und bessere Strukturen für die Zukunft vorzubereiten."

Beschäftigung: Mangel und Nachfrage

Die Ausgaben werden auch deshalb zunehmen, weil die Arbeitslosigkeit wieder steigen wird: Wifo und IHS rechnen für 2012 mit einer Arbeitslosenquote von sieben Prozent. Besonders betroffen sein wird die Industrie, denn diese leidet auch am meisten unter dem Exporteinbruch. Gleichzeitig werden auch Arbeitskräfte gesucht, sagt Wifo-Chef Aiginger: "Es gibt noch immer eine starke Nachfrage nach Facharbeitern und auch nach Pflege und Gesundheitskräften, die nicht erfüllt werden kann. Auf der anderen Seite gibt es eine Jugendarbeitslosigkeit, die sich in Richtung zehn Prozent bewegt. Hier ist das Aus- und Weiterbildungssystem gefragt, ebenso aber auch Firmen, dass sie Karrieren machen, die es älteren Personen erleichtern, im Arbeitsmarkt zu bleiben."

Wenig Spielraum

Abgesehen davon hätte Österreich nur wenig Spielraum um gegenzusteuern, stellt IHS-Chef Felderer fest: "Realistisch gesehen können wir sehr wenig dagegen tun, denn unsere Erholungen sind immer aus den Exporten gekommen. Und die Exporte sind nicht anzukurbeln. Man kann der Bundesregierung nicht sagen, kauft die Papier- oder Stahlmengen, die nicht mehr abgesetzt werden können."

Euro: "Druck wird nachlassen"

Die Gefahr einer Rezession, also dass die heimische Wirtschaft ein Dreivierteljahr lang schrumpft, hält Wifo-Chef Aiginger für gering. Auch IHS-Chef Felderer sieht diese Gefahr vorläufig nicht: "Wir glauben, dass Griechenland von der Europäischen Kommission so oder so aufgefangen wird. Wir glauben, dass Italien die Kurve kriegen und eine Schuldenbremse verabschieden wird, und dass danach der Druck auf diese Länder langsam abnehmen wird."

"Europa braucht Wachstum"

Aiginger warnt vor der Gefahr des Kaputtsparens: Europa müsse es schaffen, die Schuldenprobleme einiger Länder zu lösen und auf der anderen Seite das Wachstumskonzept nicht zu vergessen: "Denn letzten Endes braucht Europa Wachstum, damit es mehr Beschäftigung und weniger Budgetdefizite gibt." Da sind sich übrigens beide Wirtschaftsforscher einig.

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