Neuinszenierung in der Wiener Staatsoper

Nach 40 Jahren eine neue "Traviata"

Ungefähr 40 Jahre liegt die letzte Neuproduktion von Verdis "La Traviata" an der Wiener Staatsoper zurück: Otto Schenk inszenierte damals in den Bühnenbildern von Günther Schneider-Siemssen. Ab Sonntag, 9. Oktober 2011 wird dem Publikum nun eine - für Wien - neue Inszenierung präsentiert.

Mittagsjournal, 07.10.2011

Entgegengesetzter könnte sie zur Opulenz der vergangenen Jahrzehnte nicht sein: Jean-Francois Sivadier inszeniert betont spartanisch und am Pult des Wiener Staatsopernorchesters will Bertrand de Billy auch neue, "Original Verdi"-Eindrücke fürs Ohr vermitteln. In der Titelpartie ist Natalie Dessay zu erleben.

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Wiener Staatsoper
Natalie Dessay
arte - "La Traviata" mit Natalie Dessay beim Festival von Aix-en-Provence

Spiel um Moral und Scheinmoral

Paris, Mitte des 19. Jahrhunderts: Die Edelprostituierte Violetta Valéry veranstaltet in ihrem Salon ein Fest. Sie wird einem attraktiven jungen Mann vorgestellt, der ihr Leben verändern soll. Das tödliche Spiel um Moral und Scheinmoral kann beginnen.

Jean-Francois Sivadiers Inszenierung zeigt keineswegs den Prunk des 19. Jahrhunderts. Die Bühne von Alexandre de Dardel entspricht der Opernbühne wenn geprobt wird - leer und ohne Kulissen. Gerade einmal ein paar Luster hängen von der Decke. Die Gesellschaft um Violetta ist gemischt - allein Violetta ist im ersten Akt noch herausgeputzt (dann trägt sie ein Unterkleidchen), Alfredo trägt einen weißen Anzug.

Inszenierung ohne Pomp

Sivadier will Verdis "La Traviata" zeitlos gestalten - Theater am Theater ohne Pomp und Schnörkel. Er wolle sich nicht zwischen den drei Zeiten einer Oper entscheiden - der Entstehungszeit, der vom Komponisten vorgegebenen und der Gegenwart.

Dirigent verlangt Differenzierung

Auch akustisch sollte man umdenken, denn Dirigent Bertrand de Billy will mit den Hörgewohnheiten der letzten Jahrzehnte, die allerdings nicht den Noten in Verdis Partitur entsprechen, brechen. Man darf also gespannt sein auf neue Tempi und viele Pianostellen.

"Wir haben das Glück, dass man genau weiß, was er am Ende wollte. Aber ich muss gestehen: Das ist die vierte Premiere, die ich hier an der Wiener Staatsoper mache und ich bin sehr froh, dass das nicht die erste ist. Ich weiß nicht, ob ich den Mut gehabt hätte, so zu insistieren und auch bei der siebten Probe zu sagen: Tut mir leid, das war jetzt nur pianissimo, es ist fünffaches Piano. Dass man manchmal den Leuten auf die Nerven geht - aber eigentlich wollen sie das auch", so De Billy.

Titelpartie in Grenzregionen

In der Titelpartie ist Natalie Dessay zu hören - ihre letzte Premiere an der Wiener Staatsoper war Donizettis "Regimentstochter". Die Violetta ist stimmlich viel dramatischer. "Ich möchte natürlich eine andere Stimme dafür haben. Aber ich habe nur meine. Diese Traviata ist natürlich an der Grenze meiner Stimme, sicherlich. Aber ich wollte das unbedingt einmal machen, bevor es zu spät ist."

Österreich 1 überträgt Verdis "La Traviata" aus der Wiener Staatsoper am 15. Oktober 2011 um 19:00 Uhr.