Vorschlag: Europäischer Währungsfonds

Schulmeister für "sanfte Lösung"

Der Euro-Schutzschirm sollte griechische Staatspapiere zu verringerten Kursen zurückkaufen und so für eine sanfte Lösung der Krise sorgen, schlägt der WIFO-Experte Stephan Schulmeister vor. Diese "sanfte Lösung" wäre einem harten Schuldenschnitt vorzuziehen, so Schulmeister. Er regt an, den Schutzschirm zu einem eigenen Währungsfonds für Europa zu erweitern.

Mittagsjournal, 11.10.2011

WIFO-Experte Stephan Schulmeister im Gespräch mit Hubert Arnim-Ellissen

Gefahr für Realwirtschaft

Die Politik sei bisher viel zu langsam und zu wenig pragmatisch vorgegangen, kritisiert Stephan Schulmeister vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) . Der Schutzschirm sollte damit beginnen, griechische Staatspapiere zurückzukaufen, schlägt Schulmeister im Ö1 Mittagsjournalgespräch vor. Damit würden die griechischen Staatsschulden zu sinken beginnen, "ein Aufatmen ginge durch die Märkte". Die größte Gefahr besteht laut Schulmeister derzeit darin, dass sich der Verfall der Aktienkurse massiv beschleunigt. "Dann haben wir eine Entwertung des Pensionskapitals von hunderten Millionen Menschen wie 2008. Und das wirkt sich dann darin aus, dass die Haushalte zu sparen beginnen und damit eine Krise der Realwirtschaft nicht mehr aufzuhalten sein wird."

Vergleich mit 1931

Der Sparkurs der griechischen Regierung habe die Wirtschaft überhaupt erst auf Talfahrt gebracht, so Schulmeister. Er zeigt den Vergleich mit dem Sparkurs des deutschen Reichskanzlers Brüning im Jahr 1931 und meint: Es gibt eben Situationen, in denen der Staat eben nicht mehr sparen darf. Aber nach 30 Jahren neoliberaler Umnachtung kann man diese einfachen Einsichten nur mehr schwer finden."

Europäischer Währungsfonds

Den grundsätzlichen Ausweg aus derartigen Krisen hat Schulmeister nach eigenen Angaben in seinem Buch "Ein New Deal für Europa" beschrieben. Eine darin vorgesehene Komponente sei ein europäischer Währungsfonds, der die Finanzierung der Euro-Staaten zu festen Zinssätzen übernimmt, "damit mit den Finanzierungsinstrumenten unserer Gemeinwesen nicht spekuliert werden kann." Indirekt mache das die US-Notenbank, indem sie Staatspapiere kaufe und damit die Zinsen niedrig halte. Ein solcher Währungsfonds könnte relativ rasch gegründet werden, so Schulmeister: "Er ist nämlich nichts anders als im Kern dieser Rettungsschirm mit zusätzlichen Kompetenzen."

Vorbilder USA und Österreich

Sollte der Schutzschirm jetzt aktiv werden, könne er mit großer Verzögerung mit der sanften Lösung beginnen, so Schulmeister im Ö1 Mittagsjournal. Die entspreche dann dem, wie der amerikanische Finanzminister Brady vor 20 Jahren die lateinamerikanische Schuldenkrise für die amerikanischen Banken überwunden habe. Auch Österreich habe das Osteuropa-Risiko auf kluge Weise abgemildert, sagt Schulmeister. Man habe in der Wiener Initiative hinter den Kulissen still und leise auf stille Weise die Forderungen an die Schuldner in Osteuropa gestreckt. "Eine solche sanfte Weise ist unvergleichlich klüger als ein abrupter Schnitt. Bei Griechenland wurde es jetzt anders gemacht", so Schulmeister. Griechenland sei als Sündenbock für viele andere Ursachen der Schuldenkrise herangezogen worden. "Ein Sündenbock hat immer die Funktion, von systemischen Ursachen abzulenken."

Service

Stephan Schulmeister, "Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa", Picus Verlag, ISBN-10: 3854525869, ISBN-13: 978-3854525868