Kritische Analyse der EU
Hugo Portisch: "Was jetzt?"
Er hat uns österreichische Geschichte und die große Weltgeschichte näher gebracht - jetzt beschäftigt sich Hugo Portisch mit der Europäischen Union. "Was jetzt?" - heißt sein neues Buch. Der Anlass, wie Portisch sagt: EU und Euro sind in der Krise. Nur wenn man die Geschichte kennt, wie Union und Euro entstanden sind, gewinnt man Rezepte für die Zukunft.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 18.10.2011
Hugo Portisch im Gespräch mit Karin Koller
"Wo sind wir jetzt?"
Was ihn zu diesem Buch bewogen hat, erklärt Portisch im Ö1 Interview so: Man beschwere sich zwar jeden Tag über die EU, aber sehr wenige Leute wüssten wirklich Bescheid über die Union und den Euro. Und der Titel kommt so zustande: "Die EU ist jetzt an der Kippe. Die deutsche Kanzlerin Merkel sagt, unter Umständen platzt der Euro. Wenn der Euro platzt, dann platzt die EU. Und wo sind wir dann? Wieso kam es so weit und wo sind wir jetzt?"
Euro zu rasch umgesetzt
Ein Grund ist für Portisch die Gemeinschaftswährung: "Der Euro ist eine gewaltige politische Entscheidung gewesen, vor der die Experten damals gewarnt haben, dass sie zu rasch und ohne Wirtschaftsunion umgesetzt wird." Portisch meint aber nicht, dass eine Wirtschaftsunion her müsste, um die Eurokrise zu bewältigen: "Das muss man jetzt besser überlegen als man sich den Euro überlegt hat."
"Schwaches politisches Personal"
Grundsätzlich hält Portisch von der politischen Führung wenig: "Das politische Personal in der ganzen Welt ist schwach, einschließlich des Herrn Obama." Besonders gilt das laut Portisch aber für die EU: Im Vertrag von Lissabon sei endlich vereinbart, dass die EU einen Ratspräsidenten und einen Außenminister erhalten soll. "Das hätten die nationalen Regierungen mit starkem Personal besetzen können. Aber die Schwächsten haben wir uns ausgesucht."
"Auf EU schimpfen ist populär"
Dass die Bürger kein Vertrauen in die EU aufbauen, dafür gibt Portisch den nationalen Regierungen und Parlamenten die Verantwortung. Der Lissabonner Vertrag sei nicht erklärt worden. "Wo waren denn unsere EU-Abgeordneten zu diesem Zeitpunkt?", so Portisch.
Dass sich die nationalen Staaten vermehrt innerstaatlichen Angelegenheiten zuwenden, führt Portisch darauf zurück, dass die Errungenschaften der EU zur Selbstverständlichkeit geworden seien: der Frieden, die Kooperationen, die im Wesentlichen gut laufende Wirtschaft, offene Grenzen. "Aber auf die EU zu schimpfen ist populär. Hurra!"
"Finanzspekulation ist Übel schlechthin"
Was ist zu tun, damit die EU eine Zukunft hat? Die EU müsse nun vor allem alles tun, um die Finanzspekulation einzudämmen, so Portisch. Die großen Finanzkrisen seien auf die Globalisierung zurückzuführen, nicht auf die EU. "Die Finanzspekulation ist heute das Übel schlechthin in der Welt."
Buchtipp
"Was jetzt", Hugo Portisch, Ecowin Verlag, 80 Seiten, ISBN-10: 3711000193, ISBN-13: 978-3711000194