Altkanzler Schmidt spricht Klartext

Krise von Politikern gemacht

Klare Worte zur derzeitigen Euro- und Schuldenkrise hat Deutschlands Alt-Kanzler Helmut Schmidt gefunden. Vor versammelter Politprominenz in Frankfurt las er ebendieser die Leviten.

Mittagsjournal, 20.10.2011

Das hektische Treiben vor dem Gipfel am Wochenende ist unübersehbar. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy ist gestern sogar spontan nach Deutschland gereist um nochmals mit Kanzlerin Angela Merkel zu sprechen - und das während seine Frau, Carla Bruni, ein Kind auf die Welt brachte. In Frankfurt haben sich Merkel und Sarkozy getroffen - Frankfurt deshalb weil dort die Verabschiedung von Jean Claude Trichet stattfand, der das Amt des Präsidenten der EZB turnusmäßig zurücklegt. Bei dieser Veranstaltung sind viele prominente Politiker aufgetreten auch einer, der als moralische Instanz gilt - Altkanzler Helmut Schmidt. Und der 92-Jährige hat sich kein Blatt vor den Mund genommen - den Politikern hat er in einer bemerkenswerten Rede die Leviten gelesen.

Politiker handlungsunfähig

Helmut Schmidt tritt öffentlich nicht mehr oft auf - aber wenn er es tut, dann hat er wichtiges zu sagen. Wie gestern Abend in Frankfurt. Bis auf Trichet findet Schmidt für die versammelte europäische Politikprominenz alles andere als Lob. Dramatisch sei das Unvermögen der EU-Organe, die Krise einzudämmen.

Die Rede von einer Schuldenkrise sei nur bedingt richtig, sagt Schmidt - vielmehr gehe es um eine Krise der Handlungsfähigkeit der europäischen Politiker. Die Handlungsschwäche sei für die weitere Zukunft Europas eine viel größere Bedrohung als die Überschuldung einzelner Euro-Länder.

Alte Fehler rächen sich

Fehler in der Vergangenheit hätten bereits zur heutigen Situation geführt. Es sei eine Währungsunion geschaffen worden, ohne ausreichend Spielregeln dafür festzulegen. Diese Fehler werden nicht schnell zu beseitigen sein meint Schmidt - eine Entschuldigung für Nichthandeln sei dies aber nicht. Es gebe eine Pflicht zur Solidarität und Subsidiarität, an die sei man auch rechtlich gebunden.

Blick in die Vergangenheit

Der Altkanzler erinnert an die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, in der Deutschland mit verschiedenen Maßnahmen geholfen wurde - und kann darin durchaus Parallelen zur heutigen Zeit erkennen. Deutschland habe erst im letzten Jahr die letzte Rate zurückgezahlt. So langfristig habe man die Deutschen umgeschuldet.

Von Finanzwelt bedroht

Schmidt mahnt deshalb konkretes Handeln ein - dies verlange die europäische Idee. Wer den heutigen Zustand weiterhin zulasse, in dem Psychose anfällige Händler auf den globalen Märkten die Politik zur Geisel der Finanzklasse mache, der verstoße gegen die grundlegenden Artikel des Europäischen Vertragswerkes.

Die Rede von Schmidt wurde in Frankfurt von der versammelten europäischen Politprominenz aufmerksam verfolgt - bleibt zu hoffen, dass auch Einiges davon angekommen ist.