Kredithebel, Versicherung, Ratlosigkeit
Riskantes Feilschen vor dem Gipfel
Beim EU-Gipfel am Wochenende muss endlich eine Entscheidung fallen. Jeder weiß, dass Griechenland seine Schulden nicht zurückzahlen kann. Trotzdem wird noch immer diskutiert - Schuldennachlass ja oder nein. Doch wie könnte eine Lösung ausschauen?
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 20.10.2011
Nadja Hahn und Andrea Maiwald analysieren
Bis zu 60 Prozent Nachlass?
Es wird immer wahrscheinlicher dass Griechenland ein Teil der Schulden erlassen werden wird. Die privaten Geldgeber sollen ja schon auf 20 Prozent verzichten, aber das könnte jetzt mehr werden. Banken, Versicherungen oder Fonds, die griechische Staatsanleihen haben, könnten statt 20 Prozent bis 50 bis 60 Prozent nicht zurück bekommen, wie viel genau wissen wir noch nicht. Das würde besonders griechische Banken hart treffen, aber auch zum Beispiel französische Banken. Und die bräuchten neue Rettungspakete. Wer das zahlen soll, ist nicht klar. Man überlegt jetzt, ob in jedem Fall der Rettungsfonds einspringt oder ob reiche Staaten selber den Banken helfen müssen.
Kredithebel oder Versicherung
Auch über die Rolle des Euro-Rettungsfonds wird gestritten. Auch wenn Griechenland ein Teil der Schuld erlassen wird, muss die EU ja weiter denken. Auch anderen Euro-Ländern steht das Wasser bis zum Hals, der Rettungsschirm soll immer größer werden - wie genau, da sind Deutschland und Frankreich aber - wie so oft - uneinig. Der Fonds kann ja momentan mit 440 Milliarden Euro in die Presche springen, zu wenig um vielen Ländern zu helfen, besonders wenn Spanien oder Italien in Schwierigkeiten kommen. Jetzt werden mehrere Modelle diskutiert, wie der Fonds helfen kann. Frankreich will angeblich, dass der Fonds mithilfe von Leveraging, also einem Kredithebel, mehr Geld leihen kann, bis zu 2 Billionen sind im Gespräch. In Deutschland spricht man über ein Versicherungsmodell.
Riskante Vorschläge
Der Vorschlag Sarkozys, der die Krise im wahrsten Sinn des Wortes aushebeln will, ist aber höchst umstritten. Denn das Leveraging, der Kredithebel, ist riskant. Wie das genau funktionieren könnte, wissen wir nicht. Bankexperten erklären es an einem Beispiel, wie es aussehen könnte: Ein Land braucht 5 Milliarden Euro, der Fonds hat aber nur eine Milliarde. Er verborgt aber trotzdem die 5 Milliarden und die eine Milliarde in der Kasse dient als Sicherheit. Das ist riskant, denn der Fonds borgt fünf Mal mehr her als er hat. Wenn etwas schiefgeht, sind 5 Milliarden verloren, für die alle Euroländer gemeinsam haften. Das Modell ist sehr umstritten, Kritiker sagen, mit solchen Geschäften habe die Finanzkrise im Immobiliensektor begonnen, man versuche den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben.
Teilgarantie
Die Alternative wäre das von Deutschland angestrebte Versicherungsmodell: Dabei könnte der Fonds wie eine Versicherung funktionieren. Also wenn es zu einem Kreditausfall durch ein Land kommt, würde der Fonds zum Beispiel für die ersten 20 Prozent garantieren, für den Rest müssen die Länder selbst gerade stehen. Für Investoren, die jetzt italienische oder spanische Anleihen kaufen wollen, sinkt das Risiko, weil 20 Prozent garantiert wären, das soll die Investoren animieren, mehr Anleihen zu kaufen und so die Finanzierung der Staaten zu sichern. Das wäre auch Leveraging, aber nicht so riskant. Und dahinter steht vielleicht auch die Idee, dass die Euroländer kein Land Pleite gehen lassen, weil alle sofort für 20 Prozent gerade stehen müssen, sagen Bankexperten.
Hoffnung auf Klarheit
Egal was entschieden wird: Das Risiko, dass Portugal zum Beispiel sagt: "Wenn ihr Griechenland einen Teil der Schulden erlasst, dann bitte uns auch" - das bleibt. An der Börse geht es jedenfalls weiter bergab. Die Tatsache, dass offenbar so kurz vor dem EU-Gipfel noch so viel gestritten wird, kommt gar nicht gut an. Die Politik will endlich die Märkte beruhigen, aber sie erreicht momentan genau das Gegenteil. Deswegen hoffen ja alle, dass es am Sonntag eine klare Entscheidung gibt.