Analyse von Raimund Löw

Zwei Geschwindigkeiten fixiert

Mit der nächtlichen Entscheidung in Brüssel ist eines klar: Europa geht den Weg der "zwei Geschwindigkeiten". Die Beschränkung auf Vertragsänderungen für 23 EU-Länder ist zwar aus Sicht von Merkel und Sarkozy nur die zweitbeste Lösung. Dennoch ist es eine Weichenstellung, wenn auch sicher nicht der letzte Krisengipfel.

Morgenjournal, 9.12.2011

EU-Korrespondent Raimund Löw im Gespräch mit Udo Bachmair

An London gescheitert

Deutschland und Frankreich hatten beim EU-Gipfel auf eine Vertragsänderung für die gesamte Union gedrängt. Doch Merkel und Sarkozy sind an einer dritten großen Macht der Union gescheitert: an Großbritannien. London ist zwar nicht teil des Euro-Raumes, hat aber eine grundsätzlich andere Perspektive der Union. London will eine losere Union, während die anderen eine engere Gemeinschaft als Ausweg aus der Krise sehen. Der britische Premier Cameron hat eine Ausnahmeregelung für die Londoner Finanzwelt verlangt und das war inakzeptabel für die anderen.

Mehr Einfluss für Kommission

Als zweitbeste Lösung aus Sicht von Merkel und Sarkozy kommt nun ein Pakt der Euro-Regierungen untereinander. Der Vorteil: solche Abkommen können schneller ausgehandelt und verabschiedet werden als der komplizierte Ablauf einer Vertragsänderung. Allerdings ist dabei nicht klar, wer diese gemeinsamen Ziele durchsetzen wird. Der Einfluss der EU-Kommission wird gestärkt werden, weil ihr die nationalen Budgets vor dem Beschluss in den Parlamenten zur Prüfung vorgelegt werden müssen. Auch der Europäische Gerichtshof soll prüfen, ob die Schuldenbremsen in der nationalen Gesetzgebung den abgeschlossenen Verträgen entsprechen.

Zwei Geschwindigkeiten

Europa beschreitet damit den Weg der vielzitierten "zwei Geschwindigkeiten", das war unvermeidlich. Eine Währung ist nicht nur etwas Monetäres, sondern auch eine Frage des politischen Zusammenhalts, und Großbritannien wollte von Anfang an nicht dabei sein. Auch Ungarn sagt Nein zu den Verträgen, obwohl sich das Land beim Beitritt verpflichtet hat, auf eine Übernahme des Euro hinzuarbeiten. Andererseits will Dänemark dabei sei, obwohl es den Euro nicht hat. Schweden und Tschechien halten sich ihre Entscheidung noch offen. Zugleich bedeutet das, dass der Weg für die Euro-Länder in die Richtung eines EU-Bundesstaates gehen kann.

Nicht der letzte Krisengipfel

Der Erfolg des Prozesses wird auch von der Reaktion der Finanzmärkte abhängen. Aber es wird sicher nicht der letzte EU-Krisengipfel gewesen sein. Aber eine Weichenstellung ist die Entscheidung über eine neue vertragliche Grundlage für den Euro-Raum immerhin.