Kanadas Schritt nicht überraschend

Abschied aus dem Kyoto-Protokoll

Der Klimaexperte Stefan Schleicher von der Universität Graz meint, dass der Austritt Kanadas aus dem Kyoto-Protokoll vorhersehbar gewesen sei. Bis auf die Europäer hätten sich ohnehin alle schon leise verabschiedet. Für die Zukunft erwartet Schleicher noch vor einer Klimakatastrophe zunehmende internationale Konflikte, die sich um Energiefragen drehen.

Mittagsjournal, 13.12.2011

Klimaexperte Stefan Schleicher im Gespräch mit Hubert Arnim-Ellissen

Anti-Kyoto-Kurs Kanadas

Der Austritt Kanadas aus dem Kyoto-Protokoll komme nicht überraschend, sagt Schleicher. Seit dem Regierungswechsel zu den Konservativen habe Kanada angekündigt, das Protokoll nicht mehr ernst zu nehmen oder gar in eine zweite Periode einzutreten. Dass Kanada das nicht schon vor der Konferenz von Durban klargemacht hat, führt Schleicher auf eine Absprache zurück, dass Durban nicht mit einer solchen Ankündigung gestört werden sollte. Andererseits könnte dahinter auch die Hoffnung stehen, dass diese Meldung im Weihnachtstrubel untergehen könnte.

Schleicher nennt auch einen weiteren Hintergrund für das Ausscheren Kanadas: Das Land habe massiv in die Ausbeutung von Ölsand investiert, eine sehr energieaufwändige Technologie verbunden mit zusätzlichen Emissionen. Das habe Kanada in die große Kyoto-Lücke geführt, so Schleicher.

Leiser Abschied

Der Abschied aus dem Kyoto-Protokoll habe ohnehin bereits stattgefunden. Verblieben seien gerade noch die EU, die Schweiz und Norwegen. "Alle anderen haben sich leise verabschiedet." Was die Verlängerung des Kyoto-Protokolls betrifft, werde die Glaubwürdigkeit durch den Schritt Kanadas sehr in Frage gestellt.

Kriege um Energie?

Die Zeit ist allerdings mehr als knapp, so Schleicher: "Nach allen Erkenntnissen, die wir haben, bleiben uns nur wenige Jahren. Die internationale Energieagentur spricht von fünf Jahren Zeit, um einen katastrophalen Klimawandel abzuwenden." Noch vor einer Klimakatastrophe würden aber die steigenden Energiepreise für Probleme sorgen, vor allem bei Erdöl und Erdgas, rechnet der Wissenschaftler. Schleicher erwartet, dass in Zukunft internationale Konflikte engstens mit Energiefragen zusammenhängen werden.

Umweltinvestor China

Optimistische Signale kommen nach Ansicht Schleichers nicht von großen Konferenzen, sondern aus China: Er verweist auf eine Aussage des italienischen Umweltministers, dass von Investitionen in erneuerbare Energieträger mehr als die Hälfte aus China stamme. Die Schlussfolgerung des Experten: "Europa ist dabei, sich in eine Energiefalle hineinzumanövrieren." Statt dessen sollte Europa die vorhandenen Technologien wirklich marktfähig machen, um sich aus den kommenden Konflikten herauszuhalten.

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