Interview mit Stéphane Lissner
Scala-Direktor sitzt fest im Sattel
Das Ö1 "Kulturjournal" hat mit Stéphane Lissner, dem Leiter der Scala, gesprochen. Lissner verantwortet auch das Musikprogramm der Wiener Festwochen. Gibt es eine Wende in Italiens Kulturpolitik nach dem Abgang von Premier Berlusconi? Und was erwartet er für die Zukunft?
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 20.12.2011
Die Mailänder Scala hat mit ihrer heurigen Eröffnung Anfang Dezember einen großen Erfolg erlebt: "Don Giovanni", Mozarts Oper wurde in diesem berühmten Opernhaus bejubelt, sowohl das Dirigat von Daniel Barenboim als auch die kluge, stimmige Inszenierung des Kanadiers Robert Carsen.
Aber auch das Ensemble von Peter Mattei in der Titelrolle bis hin zu Anna Netrebko als reife damenhafte Donna Anna. Selten ist ein so einhelliger Erfolg an der Scala, ist doch die alljährliche Inaugurazione della Scala am Namenstag des Heiligen Ambrosius Anfang Dezember oft mit heftigen Buhkonzerten und Kontroversen verbunden.
Berlusconis abstruse Kulturideen
Bekanntlich war es in den letzten Jahren nicht gut bestellt um die Kultur in Italien. Das Regime Berlusconi wartete mit abstrusen Ideen auf - wie etwa den Ausverkauf der Kulturgüter, des Kolosseums, mit Skandalen wie den Zusammenbruch des Hauses der Gladiatoren in Pompej, mit Unter-Kuratel-Stellungen der Opernhäuser und vieles mehr.
Keine Frage, dass sich Stéphane Lissner jetzt wieder bessere Zeiten für die Kultur erwartet, wenn auch klar ist, dass der enorme Sparzwang nicht allzu große Hoffnungen zulässt.
Vertragsverlängerung erwartet
Die Scala sei eben die Scala und die könne man finanziell nicht verhungern lassen, zu sehr ist sie ein internationales Symbol für italienische Opernkultur. Lissners Vertrag läuft noch bis zum Jahr 1915, doch der Intendant geht davon aus, dass dieser verlängert wird.
Denn Lissner ist unerhört erfolgreich, zum einen hat der den von allen Seiten heftig umworbenen Daniel Barenboim, der ja auch in Berlin tätig ist, zum Generalmusikdirektor gemacht, zum anderen war die Premiere von "Don Giovanni" eben ein riesiger Erfolg bei Presse und Publikum.
Dirigent als moralische Autorität
Barenboim, so Lissner, sei eine unerhört integrative Figur, er begeistere Chor und Orchester und sein nicht nur eine musikalische, sondern auch eine moralische Autorität. Und mit der Inszenierung des "Don Giovanni", der die Scala selbst und den Mythos Don Giovanni in den Mittelpunkt gestellt hat, diese subtile Interpretation, gegen die die Wiener Neuinterpretation an der Staatsoper mehr als blass erscheint, ist zweifellos etwas gelungen.
Stars wie Peter Mattei, Barbara Frittoli, Bryn Terfel, Anna Netrebko und die junge Österreicherin Anna Prohaska als gereifte Zerlina, machten den Abend zum Ereignis und das war auch in der Liveübertragung im Fernsehsender Arte (und zeitversetzt in Österreich 1) zu spüren, wenn auch vieles, wie die unzähligen Spiegel und die Aktionen im Zuschauerraum, nicht so zur Geltung kommen konnten wie in der Oper selbst, so Lissner.
Staatsspitze kam zur Premiere
Gefreut hat Lissner auch, dass diesmal Staatspräsident Napoletano und der neue Premier Mario Monti zur Eröffnung erschienen, der ein großer Opernliebhaber ist. Normalerweise kommt meist nur einer von ihnen und in den letzten Jahren nicht einmal das.
Der Staat kommt nur mehr für ein Drittel des Budgets der Scala auf, ein Drittel kommt von Sponsoren, das letzte Dritte macht der Verkauf der Tickets, die für die Inaugurazione astronomische Höhen erreicht haben. Da muss sich vieles ändern.
Lissner plant und hofft. Er wird Brittens "Peter Grimes" bringen, Claus Guth wird "Frau ohne Schatten" und "Lohengrin" inszenieren, Mario Martone "Luisa Miller" und er wird Wagners "Ring" vollenden, es gibt immer sieben bis acht Neuproduktionen, auch wesentlich mehr als an der Wiener Staatsoper. Dem Verdi-Jahr wird man an der Mailänder Scala natürlich besonderen Tribut zollen.