Auftritt vor EU-Parlament angekündigt

EU-Verfahren: Orban bleibt gelassen

Die EU-Kommission hat am Dienstag gegen Budapest drei Verfahren wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht eingeleitet. Die ungarische Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban reagiert gelassen und signalisiert gewisse Bereitschaft einzulenken. Orban selbst tritt vor dem EU-Parlament in Straßburg auf.

Morgenjournal, 18.1.2012

Aus Budapest Ernst Gelegs

Verlesene Erklärung

Das Verfahren der EU gegen Ungarn war die Spitzenmeldung im ungarischen Fernsehen. Auf persönliche Stellungnahmen von Politikern warteten die Zuseher allerdings vergeblich. Das offizielle Ungarn hat lediglich mit einer Erklärung reagiert, die verlesen werden musste. Die am Dienstag verkündete Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission gebe Budapest die Möglichkeit, "die Debatte auf fachlicher Grundlage, auf dem Boden der Fakten, durchzuführen, und zwar mit der dafür vorgesehenen Institution, der Europäischen Kommission, die als Hüterin der Verträge gilt", hieß es in dem Kommuniqué der Regierung.

In der Aussendung wird zudem betont, dass "auch Ungarn die Unabhängigkeit von Notenbank, Justiz und Datenschutzbehörde für sehr wichtig hält". Deshalb gebe es "keinen Dissens mit den Institutionen der Europäischen Union weder bezüglich der Grundprinzipien, noch der Bedeutung der europäischen Werte und Errungenschaften". Ziel Ungarns sei es nun, alle strittigen Fragen zu klären, "wenn möglich ohne Durchführung des gesamten Vertragsverletzungsverfahrens".

Vorwurf: "Verleumdungskampagne"

Vertreter der Regierungspartei warfen der linksliberalen Opposition vor, mithilfe ausländischer Medien eine Verleumdungskampagne geführt und dem Land schwer geschadet zu haben. Die rechtsradikale Partei Jobbik betrachtet das Verfahren als "Kriegserklärung" der EU gegen Ungarn und verlangt den Austritt aus der Union. Attila Mezsterhazy, der Vorsitzende der oppositionellen sozialistischen Partei MSP, sagte, dass das Verfahren gegen Ungarn vermeidbar gewesen wäre. Und die Grünen im ungarischen Parlament forderten Orban auf klar zu sagen, ob für ihn die Interessen des Staates oder seine eigenen Machtinteressen wichtiger sind.

Zugeständnisse Orbans

Der ungarische Regierungschef nimmt heute Mittwoch im Europaparlament in Straßburg an einer Debatte über die Lage seines Landes teil. Bei der Debatte an Nachmittag geht es unter anderem um die umstrittene Änderung der ungarischen Verfassung, mit der zu Jahresbeginn der Einfluss der Regierung auf die Zentralbank verstärkt wurde. Bei diesem Thema signalisierte Orban nun Entgegenkommen: "Wir werden uns in diesem Fall der Macht beugen, nicht den Argumenten." Ungarn habe "einen Präsidenten an der Spitze der Zentralbank, der noch vom Vorgänger-Parlament gewählt wurde", sagte Orban. "Seine Amtszeit endet 2013 und daran wird sich nichts ändern. Dazu haben wir einen Finanzrat, dessen Mitgliederzahl ebenfalls vom alten Parlament beschlossen wurde. Jetzt geht es nur noch darum, ob dieser Finanzrat aufgestockt werden soll. Wenn die EU damit Probleme hat, werden wir bereitwillig den Forderungen nachkommen. Sogar wenn es zum Nachteil der Notenbank ist."

Geldstrafen möglich

Die EU Kommission hat gestern gegen Ungarn ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil sie massive Bedenken gegen eine Reihe von neu verabschiedeten Gesetzen der rechtsnationalen Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán hat. Konkret sieht die EU die Unabhängigkeit der Nationalbank, der Justiz und der Datenschutzbehörde in Gefahr. Die EU-Kommission verlangt von Ungarn eine Änderung der drei kritisierten Gesetze. Die Regierung in Budapest hat nun vier Wochen Zeit, zu den Änderungswünschen der EU Stellung zu nehmen. Wenn keine Änderung vorgenommen wird, führt das Verfahren zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und in weitere Folge zu empfindlichen Geldstrafen für Ungarn. (APA, Red.)