Erstmals muss sich ein Regierungschef verantworten

Orban vor dem EU-Parlament

Es war das erste Mal, dass sich ein Regierungschef eines EU-Landes im EU-Parlament für innenpolitische Entscheidungen rechtfertigen musste. Ungarns Regierungschef Orban hat sich heute den Abgeordneten in Straßburg gestellt. Er wolle die Probleme rasch korrigieren. Ungarn muss sich drei Vertragsverletzungsverfahren stellen.

Abendjournal, 18.01.2012

Orban rechtfertigt sich vor EU-Parlament

Viktor Orban hat sich selbst in die Höhle des Löwen eingeladen. Er hat das EU-Parlament darum gebeten, an der heutigen Ungarn-Debatte teilnehmen zu dürfen. Das ist kein Freundschaftsbesuch, zählen doch die EU-Abgeordneten zählen zu Orbans lautesten und beständigsten Kritikern. Diesen Kritikern will er den Wind aus den Segeln nehmen. Nach dem gestern eingeleiteten EU-Vertragsverletzungsverfahren kündigt der ungarische Regierungschef an, auf die Kritik zu reagieren: "Die Probleme, die die EU-Kommission aufzeigt, können schnell und einfach korrigiert werden." Sein Land sei eben im Umbruch, dabei käme es zu Streitfragen, rechtfertigt sich Viktor Orban.

Swoboda: Europäische Werte sind die Demokratie

Ungarn war das letzte der ehemaligen kommunistischen EU-Länder, das noch eine alte, eine stalinistische, Verfassung hatte. Dieses Argument lässt Hannes Swoboda von den Europäischen Sozialdemokraten nicht gelten: "Sie sagen, es geht um einen Umbau aufgrund europäischer Werte. Aber die europäischen Werte sind die Demokratie, ist der Wechsel in den Regierungen. Sie wollen das aber verhindern, sie wollen sogar über einen Wechsel in der Regierung Macht ausüben in Ungarn. Das ist das, was wir kritisieren, den Geist, den Sie vertreten."

Cohn-Bendit: Sie sind komplett verrückt

Noch schärfer, Daniel Cohn-Bendit von den Grünen: "Sie sagen uns, dass sie alles getan hätten, um die alte, die stalinistische Verfassung zu ändern, d.h. im Umkehrschluss, dass wir alle hier komplett verrückt sind, weil wir seinerzeit ein Land mit stalinistischer Verfassung in die EU aufgenommen haben. Sie sind doch komplett verrückt." Guy Verhofstadt von den Liberalen verlangt, dass eine parlamentarische Delegation nach Ungarn geschickt werden müsse. Diese solle die Einhaltung der demokratischen Werte kontrollieren. Viktor Orban aber wird nicht nur verbal geprügelt. Unterstützung erhält der ungarische Regierungschef von den Abgeordneten der Europäischen Volkspartei, der Parteifamilie von Viktor Orban.