Buch von Markus Hengstschläger

Genetiker warnt vor "Durchschnittsfalle"

Wir sitzen in der "Durchschnittsfalle", behauptet der Genetiker Markus Hengstschläger in seinem neuem Buch. Die Minderleistung liege nicht in den Genen, sondern am Bildungssystem, so der bekannte Biowissenschaftler: Österreich nehme stets Maß am Durchschnitt - außergewöhnliche Stärken würden nicht gefördert, sondern oft sogar als störend empfunden.

Morgenjournal, 19.1.2012

Erfolg durch harte Arbeit

Einer hat's eben, der andere nicht. Was da oft so salopp dahingesagt wird, wenn ein Kind besonders gut Geige oder Fußball spielt, sei nur ein kleiner Teil der Wahrheit, sagt Markus Hengstschläger, Medizin-Genetiker und Ö1-Radiodoktor. Denn Talent sei nur eine, im Übrigen nicht messbare, Voraussetzung der Leistung, und auch diese Anlage sei nur zum Teil biologisch grundgelegt. Die individuellen Leistungsvoraussetzungen müssten durch harte Arbeit entdeckt und ebenso durch harte Arbeit in Erfolg umgesetzt werden.

Begrenzte Macht der Gene

Schon gar nicht verlaufe die Begabungsgrenze entlang von genetischen Grenzen zwischen Völkern und Ethnien - a la Sarrazin, die gar nicht existierten, so Hengstschläger. Die genetischen Unterschiede seien innerhalb einer Gruppe größer als zwischen den Gruppen. "Ein Chinese kann genetisch mit einem Afroamerikaner genetisch verwandter sein als mit einem anderen Chinesen. Daher ergibt die Begründung der Gene als Ursache für Unterschiede überhaupt keinen Sinn."

Verfehltes Bildungssystem

Wenn man diese ganzen Irrwege hinter sich lässt, kommt man zu jenen Fragen, die Markus Hengstschläger in seinem Buch "Die Durchschnittsfalle. Gene - Talente - Chancen" behandelt: Das Bildungssystem nehme nur Maß am Durchschnitt - und das färbe auf die Menschen ab . So hätten Eltern Freude mit Kindern, die nie auffallen. "Wer aber einen neuen Weg gehen will, muss den alten verlassen."

Ein Beispiel: Ein Kind, das in einem Gegenstand ein "Sehr gut", und in vier anderen ein "Nicht Genügend" nachhause bringt wird nur in den schwachen Gegenständen, nicht im starken Fach gefördert und mit Nachhilfe vollgepumpt - ein Fehler, so Hengstschläger: "Was ist das Ergebnis? Dieses Kind wird in jenen Fächern, wo es ein Nicht genügend hatte, Durchschnitt werden - es hat ja hart gearbeitet. Wird aber das eine Fach, wo es ein Sehr gut hatte, vernachlässigen und dort auch Durchschnitt sein. Am Ende wird das Kind Durchschnitt sein. Und der Durchschnitt hat auf dieser Welt noch nie etwas geleistet."

Auf das Talent konzentrieren

Hengstschlägers erstaunlicher Tipp stattdessen: "Da, wo die Nicht genügend waren, so viel und nicht mehr lernen, wie unbedingt notwendig ist um durchzukommen. Beschäftigen sollte sich dieses Kind dort, wo es ein Talent hat. Das heißt, alles vermeiden, damit das Kind Abzüge machen muss von der Beschäftigung mit seinem besonderen Talent."
Ebenso verblüffend sind manche Befunde in anderen Bereichen zwischen Sport, Handwerk, Management und Politik in Markus Hengstschlägers Buch.

Buchtipp

Markus Hengstschläger, "Die Durchschnittsfalle", EcoWin, ISBN-10: 3-531-18114-9