Justiz kritisiert Gesetzesentwurf zum Sparpaket
Korruptionsdelikte nicht mehr vor Gericht
Am Montag endet die Begutachtungsfrist für das Sparpaket. Richter und Rechtsanwälte kritisieren, dass die Bezirksgerichte mehr Zivilprozesse durchführen müssen. Im Bereich des Strafrechts gibt es massive Bedenken dagegen, dass Korruptionsdelikte in manchen Fällen gar nicht mehr vor den Richter sollen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 27.02.2012
Diversion bei Amts- und Korruptionsdelikten
Wenn es nach dem Justizministerium geht, soll es in Zukunft möglich sein, dass ein Verdächtiger bei Amts-, Korruptions- und Wirtschaftsdelikten keinen Prozess bekommt, sondern mit einer vom Staatsanwalt festgelegten Geldbuße davonkommt. Da gehts wirklich nur um die kleinen Fälle, beteuern die Staatsanwälte, bei großen Fällen - etwa Korruption von Spitzenfunktionären der Republik - würden ohnehin zwei Gründe eine sogenannte Diversion verbieten: die Schwere der Schuld und die Generalprävention, also die Wirkung eines Urteils- oder eben Nicht-Urteils auf die Allgemeinheit.
Schröder: Text unausgegoren
Richter-Gewerkschaftschef Klaus Schröder bleibt aber bei der Kritik an diesem Plan und stellt fest, "dass dieser Gesetzesentwurf von der Textierung völlig unausgegoren ist, weil einerseits verlangt wird, dass der gesamte Schaden gut gemacht wird, damit die Diversion greifen kann, auf der anderen Seite der Gesetzesentwurf aber vorsieht, dass es zu keiner hinreichenden Klärung des Tatverdachts kommen muss, dann kann kein Staatsanwalt der Welt feststellen, wie hoch der tatsächliche Schaden ist, der gut zu machen wäre. Allein da führt sich der Gesetzesentwurf schon ins Absurde."
Einwände zur Diversion
Ein Argument dem sich der Chef der Staatsanwälte-Vereinigung, Gerhard Jarosch, gar nicht verschließt: "Diese Einwände zum nicht hinreichend geklärten Sachverhalt sind, glaube ich, sehr vernünftig. Wir werden wohl den Sachverhalt auch weiterhin klären müssen, um den Schaden feststellen zu können. Allerdings ist die Ausweitung der Diversion insgesamt auf Schöffendelikte eine vernünftige Sache, weil es Bagatellfälle gibt, für die wir das brauchen." Dazu Richter-Gewerkschaftschef Klaus Schröder: "Das war natürlich eine inhaltliche Verbesserung gegenüber dem derzeitigen Entwurf. Aber es geht auch um den Eindruck, der dadurch vermittelt wird, dass man gerade am Höhepunkt der Diskussion über Bestechlichkeit und Korruption in der Bevölkerung den Eindruck erweckt, man könne sich - wenn man nur ausreichend Geld hat - von einer Verurteilung freikaufen und das lehnen wir ab."
Zuständigkeit der Bezirksgerichte
Auch die geplante Zuständigkeit der Bezirksgerichte für Zivilprozesse bis hinauf zu 25.000 Euro Streitwert sorgt für Unmut. Das Ganze passiere überfallsartig, kritisieren die Richter. Klaus Schröder: "Weil überhaupt nicht abgeklärt ist, in welchem Ausmaß Richterstellen vom Landesgericht zum Bezirksgericht verschoben werden müssten, auch vom Oberlandesgericht zum Landesgericht, weil sich ja auch die Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts ändern sollte. Und das Ganze noch im Paket mit einer Bezirksgerichtszusammenlegung erfolgt, deren Auswirkungen und Ausmaß ebenfalls noch nicht geklärt sind."
Rechtsanwältevertretung warnt vor Stillstand
Die Rechtsanwältevertretung warnt in diesem Zusammenhang gar schon vor einem Stillstand, vor einem Supergau der Rechtssprechung. Richter und Rechtsanwälte wollen, dass sowohl die Ausweitung der Diversion als auch die Erhöhung der Bezirskgerichts-Wertgrenzen in diesem Gestzespaket nicht oder zumindest noch nicht beschlossen werden.