Bundespräsidentenwahl in Berlin

Gaucks zweiter Anlauf

Am Sonntag stellt sich Joachim Gauck der Wahl als deutscher Bundepräsident vor der Bundesversammlung in Berlin. Er wurde nominiert als der amtierende Präsident Wulff wegen Ermittlungen gegen ihn zurücktreten musste. Gauck war schon bei der Wahl Wulffs als Gegenkandidat aufgetreten. Es gilt als sicher, dass der 72-jährige Ex-DDR-Bürgerrechtler diesmal Staatsoberhaupt wird.

Mittagsjournal, 17.3.2012

Aus Berlin,

Idealer Kandidat

Am Sonntag wird in Deutschland die Welt wieder in Ordnung gebracht: die Bundesversammlung wird den neuen Bundespräsidenten wählen, nachdem Christian Wulff nach kurzer Zeit vom strahlenden Jugendhelden zum tragisch-käuflichen Zwielicht wurde. Joachim Gauck war schon bei der Wahl Wulffs die ernsthafte Alternative, allerdings nicht für Angela Merkel, die dem erfolgreich aufstrebenden Wulff den Vorzug gab - viele Beobachter meinten damals, dass Merkel sich einen parteiinternen Sesselsäger vom Hals schaffen wollte, nicht ahnend, dass er sich bald selbst den Ast absägen würde, auf dem er da hochgeklettert war.

Jetzt sind sich die 1.240 Mitglieder überwiegend einig, dass der 72-jährige Joachim Gauck der ideale Kandidat ist, um dem Amt des Bundespräsidenten die angekratzte Würde zurückzugeben. Der Bürgerrechtler aus DDR-Zeiten muss zwar mit Gegenkandidaten rechnen - jeder der Delegierten hat das Recht, einen Kandidaten zu nominieren und die Linke lehnt Gauck ab. Das wird aber nichts daran ändern, dass er es wird, denn in Deutschland ist die Mehrheit überzeugt: der Gauck hat das Zeug dazu.

Heute mit breiter Mehrheit

„Ich hatte vor allem die richtigen Freunde“. Wenn Joachim Gauck kurz nach seiner Nominierung zum deutschen Bundespräsidentschaftskandidaten von den richtigen Freunden spricht - dann nicht deshalb, weil er im Hinblick auf die Schwierigkeiten seines Vorgängers Christian Wulff schon von vornherein jegliche private und zugleich geschäftliche Verbindungen zu Geschäftsleuten ausschließen will.

Es ist schlicht und einfach ein Erklärungsmodell, wie Gauck von einer so breiten Konstellation aus einer CDU – CSU – SPD - FDP und Büdnis 90/Die Grünen gemeinsam vorgeschlagen wurde.

Symbolträchtiges Datum

Und doch - man erinnert sich an den Widerstand Angela Merkels gegen Gauck als Präsidentschaftskandidaten - zu unvorhersehbar ist der ehemalige evangelische Pastor und DDR-Bürgerrechtler, der wie wenig andere für den Begriff Freiheit steht – er sei sich sicher, dass das deutsche ‚yes, we can‘ das sächsische ‚wir sind das Volk‘ gewesen sei.

Wenn der 72-jährige Gauck morgen in der Bundesversammlung - bei seinem zweiten Anlauf - vor knapp zwei Jahren hatte er gegen Wulff verloren - zum deutschen Bundespräsidenten gewählt wird, dann hat das morgige Datum, der 18.März, eine doppelte Bedeutung für ihn - denn just an diesem Tag im Jahr 1990 - konnte Gauck - damals unter Tränen - zum ersten Mal an freien, gleichen und geheimen Wahlen in der DDR teilnehmen – mit 50.

Einige Bedenken

Was er sich damals vornahm: niemals eine Wahl zu versäumen. Doch Kritiker in Deutschland fragen sich heute, ob ein gelebter Freiheitskampf als Botschaft für einen Bundespräsidenten reicht - oder auch Gaucks zweites Steckenpferd - die Aufarbeitung des DDR-Unrechts - vor allem als Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, die er nach Ende der DDR - ab Oktober 1990 für 10 Jahre führte.

Unmut hat sich Gauck durch seine lobenden Worte für Thilo Sarrazin zugezogen, aber auch durch seine Äußerungen über die Occupy-Bewegung, die er schlicht albern nannte. Der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele sagt, er habe ihn letztes Mal gewählt, sich aber über dessen Äußerungen zu Sarrazin geärgert.

Positives überwiegt

Doch die positiven Stimmen überwiegen - es ist seine Fähigkeit zu reflektieren und dies auch in Worte zu fassen, die ihn so beliebt macht - die Menschen vertrauen ihm - wenn er mit Vorträgen und Lesungen aus seinen Publikationen durchs Land zieht, wird er gefeiert.

Klar ist jedenfalls, dass Gauck kein bequemer Präsident sein wird - und sich mitunter auch gegen die Interessen der Regierung stellen wird.