Reformversprechen und Reichensteuer

Hollandes "Regierungsprogramm"

18 Tage vor dem ersten Durchgang der französischen Präsidentschaftswahlen hat der Kandidat der Sozialisten, Francois Hollande, sein Programm für den Fall eines Wahlsiegs vorgelegt. Hollande kam damit dem amtierenden Präsidenten und Kandidaten Nicolas Sarkozy zuvor, der erst Donnerstagnachmittag sein Programm vorstellen will.

Morgenjournal, 5.4.2012

Hans Woller berichtet aus Paris

Populistische Versprechen

Es ist ein Dreistufenplan mit insgesamt 35 Maßnahmen, von denen ein Dutzend noch vor Beginn des Sommers zur Anwendung kommen sollen. Der allererste Punkt des Maßnahmenkatalogs für die ersten 60 Tage von Francois Hollandes möglicher Amtszeit hat vor allem Symbolcharakter: Präsident und Regierungsmitglieder würden auf 30 Prozent ihres Gehalts verzichten. Für mehr Kaufkraft soll der Benzinpreis drei Monate lang gedeckelt und die Beihilfe zum Schulbeginn im September um ein Viertel erhöht werden. Hollande: "Wir haben keine Zeit zu verlieren, angesichts des Zustands der Staatsfinanzen und der Wirtschaft. Angesichts der Arbeitslosigkeit und des Kaufkraftschwunds wollen die Franzosen präzise und schnelle Entscheidungen."

Reformen bei Steuern und Banken

Bereits zwischen 18. und 21. Mai beim G-8-Gipfel in Camp David und beim anschließenden Nato-Gipfel würden die Partner über den französischen Truppenrückzug aus Afghanistan bis Ende 2012 informiert. Zu Hause werde per Dekret für alle, die 41 Beitragsjahre vorweisen können, der Rentenanspruch ab 60 wieder eingeführt. Und im Juli würde Hollande, im Fall eines Wahlsiegs, die Nationalversammlung zu einer Sondersitzung einberufen: "Mit dem neu gewählten Parlament werde ich drei Reformen in Angriff nehmen: Die Reform der Staatsfinanzen, um Ende 2017 einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren zu können. Die Steuerreform, die unerlässlich ist für mehr Gerechtigkeit und für eine Reihe von Mehreinnahmen. Und schließlich eine Reform der Banken."

75 Prozent Reichensteuer

Zur Steuerreform gehört auch die Maßnahme, den Teil von Jahreseinkommen, die über eine Million Euro liegen, mit 75 Prozent zu besteuern: "Ich nenne das Patriotismus. Man verlangt auch von gewöhnlichen Arbeitnehmern, dass sie Opfer bringen, da ist es legitim, von denen, die am meisten haben zu verlangen, sich an der Sanierung auch stärker zu beteiligen."

Sarkozy folgt

Hollande hat mit der überraschenden Vorstellung des Maßnahmenkatalogs, den er Mittwochabend bei einer Wahlveranstaltung an der Seite seiner ehemaligen Gefährtin und sozialistischen Kandidatin vor fünf Jahren, Segolene Royal, näher erläuterte, seinen Kontrahenten, Präsident Sarkozy, ausgestochen. Der wird sein Programm – endlich, so sagen auch viele aus seinen eigenen Reihen - erst Donnerstagnachmittag präsentierten. Derweil kritisierte seine Wahlkampfsprecherin Hollandes Ankündigung als "alptraumhafte Politik-Fiktion", die Frankreich binnen 100 Tage in den Ruin führen würde.