"Behörden ignorieren Gutachten"

Abschiebung empört Mediziner

Wieder gibt es Proteste gegen die Abschiebung einer Familie aus Österreich. Erstmals stellen sich Ärzte und Psychologen an die Spitze der Kritiker. Eine tschetschenische Familie soll aus Kärnten abgeschoben werden, obwohl Gutachten festhalten, dass der Vater selbstmordgefährdet und eines der vier Kinder schwer traumatisiert ist.

Morgenjournal, 14.4.2012

Primar empört

Familie Gereev lebt seit 2007 in Österreich. Vor kurzem wurde sie getrennt. Der Vater ist, nachdem er sich selbst verletzt hat, in Kärnten im Krankenhaus, seine schwangere Frau und die vier Kinder sind im Familienanhaltezentrum in Wien. Die fünfjährige Tochter hat vor einigen Wochen aufgehört zu sprechen. Dass die Familie trotz seines eindeutigen Gutachtens abgeschoben werden soll, empört den Primar für Kinderneuropsychiatrie am Klinikum Klagenfurt Wolfgang Wladika: "Ich kann nicht nachvollziehen, dass Behörden diese sehr gewichtigen Gutachten ignorieren und Handlungen setzen, die zu einer Verschlechterung des psychischen Zustands von Kindern führen können."

Bescheid wider besseres Wissen?

Ähnlich argumentiert der Psychotraumatologe Klaus Ottomeyer von der Universität Klagenfurt, der die Familie ebenfalls betreut. Er habe das Gutachten persönlich dem Sicherheitsdirektor übergeben, und der habe zugestimmt, dass eine gefährliche Diktatur in Tschetschenien herrsche, sagt Ottomeyer. Doch in seinem Bescheid an die Bezirkshauptmannschaft habe er das alles "unter den Tisch fallen lassen".

"Einer der schlimmsten Plätze auf dem Planeten"

Außerdem habe die Familie Paten in Kärnten, und auch eine Wohnung werde privat für sie finanziert. Eine Abschiebung nach Tschetschenien sei für sie sehr gefährlich, sagt Klaus Ottomeyer: "Die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, dass dann Familienmitglieder im Gefängnis verschwinden, verhört werden. Wir wissen auch, dass Zurückgebrachte schon gefoltert worden sind. Das wir immer wieder vergessen, dass das einer der schlimmsten Plätze auf diesem Planeten ist derzeit."

Und Wolfgang Wladika wehrt sich dagegen, dass behauptet wird, Traumatisierungen seien oft nur vorgeschoben. Bei Diagnosen seines Hauses werde mit größtmöglicher Sorgfalt vorgegangen, man halte sich an die entsprechenden Klassifikationsrichtlinien.

Behörde betont Amtsweg

Der zuständige Sicherheitsdirektor war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Der Bezirkshauptmann sagt, er müsse die Entscheidungen der Asylbehörden vollziehen. Eine Abschiebung ist allerdings erst dann möglich, wenn der Vater aus den Krankenhaus entlassen und die Familie wieder zusammen ist.