Lesung am 3. Mai im Literaturhaus Graz

Porträt Feridun Zaimoglu

13 Bücher in 14 Jahren, darunter "Kanak Sprak", "Leyla" und zuletzt "Ruß". Seit Anfang dieses Jahrtausends erhielt der 48-jährige Feridun Zaimoglu fast jedes Jahr einen der renommierteren Literaturpreise, zum Beispiel den Corine für seinen Roman "Liebesbrand".

Aber er bekommt auch Anerkennung für seine Rolle als Kulturvermittler im deutsch-türkischen Konfliktraum, zuletzt den Jakob-Wassermann-Preis der Stadt Fürth. Zaimoglu war auch Mitglied der ersten Islamkonferenz unter Schäuble 2006.

Er bezeichnet sich als Deutscher mit türkischen Eltern und wird nicht müde, die Schönheit Kiels, der Stadt, in der er seit über 20 Jahren lebt, zu loben - wie die ganz Norddeutschlands. Deutschlands überhaupt. Auf Zaimoglus Lesereise ist stets zu erleben, wie unverkrampft Deutschlandliebe daherkommen kann.

Nun hat Feridun Zaimoglu den Preis der Literaturhäuser 2012 erhalten, einen Preis für unterhaltende Literaturvermittlung. Und genau das wird man auf seiner Tour, die bis Ende Mai dauert, erleben dürfen. Am 3. Mai 2012 macht er in Graz Station.

Kulturjournal, 16.04.2012

"Der Assimil-Kümmel ist der mieseste Trip seitdem es Kanaken gibt", echauffierte sich Feridun Zaimoglu vor 13 Jahren. Ein Reporter der "Süddeutschen Zeitung" schrieb mit, und so bleibt dieser Satz für alle Ewigkeit in den Archiven. Eher unwahrscheinlich, dass Zaimoglu ihn heute wiederholen würde, denn assimiliert... Das ist gar kein Wort dafür, wie gut der 48-Jährige heute integriert ist in Deutschland und speziell in den deutschen Literaturbetrieb.

"Im Betrieb sind sehr viele sehr schöne Frauen und Männer, also schön, weil sie schöne Seelen haben, die um etwas sehr Schönes kämpfen - nämlich um die Kultur", meint Zaimoglu. "Wer das Kulturelle verschwätzt als einen Luxusartikel, weiß, glaub ich, nicht um die existenziellen Grundlagen."

Der Geschichtenerzähler

Zaimoglu nennt sich "Geschichtenerzähler". 1995, als "Kanack Sprack" erschien, die so untertitelten "24 Misstöne vom Rande der Gesellschaft", da war er noch ein wütender Geschichtenerzähler. Auch 2006, als "Leyla", der Roman über seine Mutter und die erste Generation der türkischen Gastarbeiter in Deutschland, herauskam, war da noch viel Zorn. Seine Texte hatten eine Stoßrichtung.

Inzwischen ist Zaimoglu ein verträumter Erzähler geworden: der Wald, die Elfen, der Zauber - das zieht ihn an. Und er schreibt wie immer, was das Zeug hält. Nicht nur Bücher, sondern auch Artikel und Bühnenstücke. Obwohl: "Das Schreiben ist eine sehr verflixte Angelegenheit", so Zaimoglu. "Das Schreiben an sich bereitet mir keine große Lust. Es ist eine Sucht. Ich fühle mich vergeudet, vergiftet, wenn ich zwei Tage am Stück nicht schreibe."

Der Gartenzwerg-Sammler

Wenn er nicht schreibt, liest er vor. Ihm zuzuhören, ist ein Genuss. Zaimoglu liebt seine Leser. Und dann kommt immer der Moment, da beginnt er zu schwärmen: von der deutschen Sprache, der Aufklärung, der deutschen Romantik, ja, sogar von seinen 180 Gartenzwergen, die er gesammelt hat, weil sie ihn an die Magie deutscher Märchen erinnern - Märchen, die seine Mutter ihm auf Türkisch vorgelesen hatte. Aber dazu bot die deutsche Schule wiederum ein Gegengewicht:

"Meine Schwester und ich wurden - und das war unsere Rettung - hier in Deutschland erzogen. Und da soll mir einer kommen und über die schmusigen Momente des türkischen Lebens erzählen, über das kalte Deutschland. Es ist eine Lüge und bleibt eine Lüge. Wir wurden zu dieser wunderbaren Nüchternheit erzogen. Schau hin. Verschwätze es nicht. Sondern: Man kann es sehen."

Der Anti-Traditionalist

"Deutschnationaler Multikultureller", hat man ihn schon beschimpft, empört sich Zaimoglu. Und die großen dunklen Augen rollen jetzt hastig unter den halbgeschlossenen Lidern hin und her. Dabei: Was soll das schon sein? Wenn er, der als Säugling nach München kam und nicht mehr gut Türkisch spricht, nun ein Mal im Jahr seine Eltern in ihrem Haus an der türkischen Schwarzmeerküste besucht, dann sieht er doch, was dort los ist.

"Das Land ist krank, weil die Männer krank sind", sagt Zaimoglu. "Das alles hat mit Tradition nichts zu tun. Das ist schlicht pathologisch, Freunde. Ihr braucht professionelle Hilfe. Ich habe keine Lust mehr, dass ihr mir so nette Geschichten erzählt, in denen es um die Kuhwärme der Sippe geht. Die Sippe ist die Verhinderung der Mündigkeit. Die meisten Männer sind nicht mündig."

Der Unerschrockene

Zaimoglus Charme ist seine Unerschrockenheit, wenn es ans Debattieren geht, seine Sympathien für die kleinen Leute, für Menschen, die das Siegen nicht gelernt haben. Und seine spürbare Freude, vor einem vollen Saal zu sitzen - die Abende mit ihm sind in der Regel immer ausgebucht.

Er ist nicht mehr der Alibi-Ali, als der er sich in jungen Jahren sah. Feridun Zaimoglu möchte uns heute zeigen, was wir verlieren, wenn wir die guten Traditionen von den "kalten Winden der Avantgarde", wie er sich ausdrückt, hinwegwehen lassen. Er möchte die von der Aufklärung sauber gefegte Welt wiederverzaubern. Das ist seine Mission:

"Ich will unschuldig bleiben, unschuldig als Schreiber. Ich will kein arroganter Mensch sein. Ich will kein Neurotiker sein. Ich will kein einsamer Kenner der Materie sein, der mit artistischen Avantgardenummern glänzt, und dann anfängt auf das Publikum zu schimpfen. Das nicht. Nein. Hoch lebe die Unschuld!"

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Perlentaucher - Feridun Zaimoglu