Kritik an Gerichtsurteilen

Justiz zu milde gegen Menschenhandel?

"Menschenhändler haben in Österreich einen Freibrief" - das ist die harte Kritik, mit der die Justiz derzeit von Opferschutzorganisationen und hinter vorgehaltener Hand auch von Vertretern der Polizei konfrontiert wird. Anlass sind einige Prozesse gegen Menschenhändler mit milden Urteilen. In einem Verfahren haben die Angeklagten der Richterin bei Urteilsverkündung sogar applaudiert.

Morgenjournal, 20.4.2012

Mildes Urteil trotz klarer Lage

Es war die "Operation Montana", der für große Empörung gesorgt hat. Sechs Angeklagte waren vor Gericht, sie sollen 31 Bulgarinnen auf brutalste Weise zur Prostitution gezwungen haben. Höchststrafe: zehn Jahre. Die Urteile: einmal vier Jahre unbedingt und fünfmal teilbedingte Haftstrafen. Evelyn Probst von Lefö, der Organisation, die die Opfer betreut hat, empört das besonders, denn es habe lückenlose Beweise der Polizei gegeben. Außerdem habe die Staatsanwaltschaft zugestimmt und nicht berufen. Frauenhandel gelte in vielen Fällen noch immer als Kavaliersdelikt, kritisiert Probst.

Polizei unter Rechtfertigungsdruck

Auch die Polizei ist frustriert, hört man immer wieder, auch wenn es Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung des Menschenhandels im Bundeskriminalamt so nicht formuliert. Dennoch fordert er klare Signale, "denn nach dem Prozess ist es für die betroffenen Personen noch lange nicht zu Ende." Denn wenn Beschuldigte nach einem Verfahren direkt aus dem Gerichtssaal womöglich nachhause gehen, muss sich auch die Polizei vor den Opfern rechtfertigen, sagt Tatzgern.

Kein Anreiz für Opfer, sich zu melden

Evelyn Probst von Lefö fürchtet, dass in Zukunft noch weniger Frauen gegen ihre Zuhälter aussagen. Denn schon jetzt haben viele Angst davor, und wenn Urteile so ausgehen, würden sie es sich in Zukunft überlegen, befürchtet Probst. 2010 hat das Bundeskriminalamt eine Hotline eingerichtet. Die Erfahrung zeigt, dass sich dort sich nur wenige Opfer melden, dafür aber Kunden von Prostituierten, die anonym Missstände aufzeigen wollen.

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