Papandreou und Trichet im Ö1-Gespräch

Athen: Ex-Großparteien in Bedrängnis

Der Sozialist Giorgos Papandreou beansprucht für sich, als früherer Ministerpräsident den Schuldenschnitt für Griechenland vorbereitet zu haben. Das bekräftigt er auch im Ö1-Interview und gibt sich trotz des Vormarschs extremistischer Kleinparteien für die kommende Wahl optimistisch. Differenzierter sieht der ehemalige EZB-Chef Jean-Claude Trichet die Lage.

Morgenjournal, 4.5.2012

"Griechen wollen Reformen"

Die kommende Parlamentswahl in Griechenland ist auch in der Schweiz ein Thema: beim St. Gallen-Symposium, einem Treffen von aktiven und ehemaligen Entscheidungsträgern und all jenen, die es noch werden wollen. Unter ihnen sind auch Papandreou und Trichet. Papandreou zeigt sich im Ö1-Gespräch optimistisch, dass die griechischen Wähler seiner Partei, den Sozialisten, das Vertrauen aussprechen wird: "Ich glaube, in Griechenland sind wir alle traurig, dass wir durch diese Krise gehen mussten. Die Frage ist, ob wir das zu einer Chance machen. Die Griechen wollen wirkliche Veränderungen und Reformen sehen - in der Form, wie wir sie in den vergangenen zwei Jahren begonnen haben." Der Ex-Premier nennt als eigene Erfolge, dass die Schulden um 100 Milliarden Euro verringert worden seien, auch das Defizit sei nun geringer. "Das waren große Einschnitte, aber sie werden unsere Wirtschaft überlebensfähiger machen", so Papandreou.

Ruf nach Wachstumsstrategie

Nicht nur in Griechenland stehen Wahlen an, auch in Frankreich wird gewählt. Papandreou wünscht sich dort den Sozialisten Francois Hollande als neuen Präsidenten, weil auch Hollande auf eine stärkere Wachstumspolitik in der EU drängt. Die hohe Arbeitslosigkeit, nicht nur in Griechenland, auch in Spanien, Portugal, Italien und Irland, könne man nicht mit Sparen allein lösen, sondern es brauche eine "organisierte Wachstumsstrategie".

Trichet: "Haus in Ordnung bringen"

Der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, ist zwar ebenfalls für mehr Wachstumsmaßnahmen. Er unterscheidet im Ö1-Gespräch aber zwischen den einzelnen Ländern: Einige hätten die Krise gut überstanden, dort könne man über solche Maßnahmen nachdenken, so Trichet. Aber Länder, die sehr viel Glaubwürdigkeit eingebüßt haben, müssten diese Glaubwürdigkeit erst zurückgewinnen. "Das ist die Voraussetzung für Wachstum, und das macht man, indem man sein Haus in Ordnung bringt", so Trichet. Gemeint ist, dass Länder wie Griechenland, Portugal und Italien das Sparen nicht aus den Augen verlieren sollten.

Morgenjournal, 4.5.2012

Aus Athen berichtet Ernst Gelegs

Extremistische Kleinparteien immer stärker

Die Parlamentswahl am kommenden Sonntag ist für Griechenland eine Schicksalswahl. Es geht um die wirtschaftliche Zukunft des hochverschuldeten Landes. EU und IWF, die Griechenland mit zwei milliardenschweren Notkrediten vor der Pleite bewahrt haben, hoffen auf eine stabile Regierung. Doch die beiden großen Parteien, die sozialistische PASOK und die bürgerliche Neo Demokratia, die den Sparkurs fortsetzen wollen, stehen vor einer gewaltigen politischen Niederlage. Immer populärer und stärker werden kleine extremistische Randgruppierungen, die die Sparmaßnahmen ablehnen und teilweise sogar raus aus der EU wollen. Viele dieser kleinen extremistischen Parteien haben gute Chancen, die Drei-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament zu überspringen. Ingesamt treten am Sonntag 32 Parteien an, von denen bis zu zehn den Einzug ins Parlament schaffen könnten - das wären doppelt so viele wie bisher. Unter ihnen ist auch die Neonazi-Partei "Goldene Morgenröte".