Wurzeln des "normalen Präsidenten"

Hollandes Abschied aus der Provinz

Francois Hollande wird am Dienstag im Pariser Elyseepalast das Amt des französischen Staatspräsidenten von seinem Vorgänger übernehmen. Den Freitag hat Hollande noch einmal im zentralfranzösischen Departement Correze verbracht, seiner Wählerhochburg seit 30 Jahren, um sich von Freunden und Mitarbeitern zu verabschieden.

Morgenjournal, 12.5.2012

Departement der Präsidenten

Rund 500 Freunde und Bekannte, Angestellte des Departementrates und der Gemeinde des 15.000 Einwohnerstädtchens Tulle waren erschienen, um den zu verabschieden, den manche sich nun nicht mehr einfach Francois zu nennen getrauen. Sophie Dessus, seine bisherige Stellvertreterin im Departementrat: "Er weiß, was er der Correze schuldig ist und wollte es diesem Departement noch einmal sagen. Unglaublich dieses Departement – oder? Wer Präsident werden will, braucht nur zu uns zu kommen." Eine Anspielung darauf, dass auch Jacques Chirac – 15 Jahre vor Francois Hollande - sich in dieser Region seine Wahlheimat geschaffen hatte und ein Vierteljahrhundert nach seinen ersten Lokalmandaten 1995 Präsident der Republik geworden war.

Image des "normalen Präsidenten"

Francois Hollande seinerseits war 1983 zunächst Gemeinderat einer Kleinstadt, ab 1988 dann fast permanent Abgeordneter des Wahlkreises in der Nationalversammlung , sieben Jahre lang Bürgermeister der 15.000 Einwohnerstadt Tulle und zuletzt Präsident des Departementrates Correze: "Um Präsidentschaftskandidat zu sein, braucht es nicht unbedingt eine besondere Verwurzelung , um Präsident zu sein aber sehr wohl. Ich konnte mir nicht vorstellen, mich vor den Franzosen zu präsentieren, ohne bewiesen zu haben, dass ich in einer Gebietskörperschaft zu handeln in der Lage bin."

Diese politische Verwurzelung in der tiefen Provinz ist jedenfalls dem Image des "normalen Präsidenten" dienlich , der Francois Hollande sein wollte – bescheiden und umgänglich. Nun wird er beweisen müssen, ob er das auch wirklich sein bzw. bleiben kann. Seine persönliche Sekretärin im Departementrat will daran glauben: "Wir werden immer einen kleinen Platz in seinem Herzen haben. Seit wir 2008 angefangen haben zusammen zu arbeiten, war es eine einzige Freude."

Kampf gegen Defizit

Einen Wehrmutstropfen am Tag des Abschiedes aus seiner Wahlheimat gab es dann doch, die weite Welt hatte Hollande wieder eingeholt: Eine Prognose der EU-Kommission sieht in Frankreich 2013 immer noch ein Haushaltsdefizit von 4,2 Prozent anstatt der angestrebten 3,0. Hollandes Antwort: "Wir haben das schon vorweg genommen. Ich hatte den Rechnungshof um eine Einschätzung der Budgetrealität unseres Landes gebeten und wusste schon seit mehreren Wochen, dass die Haushaltssituation schlechter ist, als die bisherige Regierung es sagen wollte."

Francois Hollande wird schon am 9. Juni , dann als amtierender Staatspräsident, wieder für eine Gedenkzeremonie an den Ort zurückkommen, wo sein Freitag begonnen hatte: am Mahnmal für die 99 Männer aus Tulle, die vor 68 Jahren von Mitgliedern der SS-Division das Reich im Zentrum der Stadt gehängt worden waren.