Chefankläger Brammertz im Interview

Jahrelanger Mladic-Prozess

Der Den Haager Chefankläger Serge Brammertz geht davon aus, dass der Kriegsverbrecherprozess gegen Ratko Mladic nicht so lange unterbrochen wird wie von der Verteidigung gefordert. Im Ö1 Interview geht Brammertz dennoch von einem jahrelangen Verfahren aus.

Mittagsjournal, 22.5.2012

Christian Wehrschütz hat mit dem Chefankläger in Den Haag, Serge Brammertz, gesprochen. Brammertz ist derzeit in Belgrad.

Mladic-Prozess: Hoffnung auf Wiederaufnahme

Vor einer Woche hat vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag der mit Spannung erwartete Prozess gegen Ratko Mladic begonnen. Der ehemalige General der bosnischen Serben muss sich wegen Vertreibung, Kriegsverbrechen und Völkermordes in Bosnien und Herzegowina verantworten. Der bekannteste Fall betrifft das Massaker an mehr als 7.000 Bosniaken in Srebrenica im Sommer 1995. Der Beginn der Beweisaufnahme war für Ende Mai geplant, doch nach zwei Tagen musste der Prozess bereits wieder auf unbestimmte Zeit vertagt werden. Grund dafür war ein Fehler der Anklagebehörde, die der Verteidigung nicht alle Dokumente bis zu Prozessbeginn übermittelt hatte. Die Verteidigung hat eine Vertagung um sechs Monate beantragt, der Chefankläger in Den Haag, Serge Brammertz, geht aber im Ö1 Interview davon aus, dass es bis zur Wiederaufnahme nicht so lange dauern wird.

Jahrelanges Verfahren

Wie lange es noch bis zum Urteil gegen Mladic dauern wird, kann Brammertz schwer einschätzen. Da man die Anklage um 40 Prozent reduziert habe, werde die Beweisaufnahme nicht wie im Karadzic-Verfahren zwei Jahre, sondern nur ein Jahr dauern. Dann komme die Phase der Verteidigung. Aber Brammertz geht dennoch davon aus, dass das Verfahren im Minimum zweieinhalb Jahre dauern wird. Die Aufarbeitung von ethnischen Säuberungen in etlichen Ortschaften, der dreijährigen Belagerung Sarajewos und des Völkermords in Srebrenica sei nicht in wenigen Monaten möglich. In Belgrad haben die Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Fluchthelfer von Mladic auch ein Jahr nach dessen Verhaftung noch immer kaum Ergebnisse gebracht, wie Brammertz kritisiert.

Das Urteil erster Instanz im Verfahren gegen den ehemaligen Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, erwartet Brammertz für die zweite Hälfte 2014.

Herausforderung Bosnien

Als größte Herausforderung erwartet der Chefankläger die Strafverfolgung in Bosnien. "Dort ist die größte Anzahl an Straftaten begangen worden. Dort gibt es tausende Verfahren, die auf Ermittlung und Verfolgung warten. Ohne zusätzliche Mittel und Staatsanwälte sieht es dort schlecht aus. Und das hat wieder negative Folgen für die Versöhnung, die Wiedergutmachung und das gemeinsame Vorwärtsgehen."