Ägypten bleibt tief gespalten
Stichwahl zwischen Ex-Premier und Islamisten
Bei der Präsidentenwahl in Ägypten deutet alles auf eine Stichwahl im Juni zwischen Mohamed Mursi, einem Kandidaten der Muslimbrüder, und Ahmed Shafik, dem letzten Premier des gestürzten Machthabers Mubarak. Die große Frage wird sein, was die liberaleren Wähler tun, die nun nicht zum Zug gekommen sind.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 25.5.2012
Karim el-Gawhary im Gespräch mit Andrea Maiwald.
Frage der Netzwerke
An dem Ergebnis kann man sehen, dass in Ägypten nur gewinnen kann, wer einen Apparat und Institutionen hinter sich hat. So hat die Muslimbrüderschaft seit 80 Jahren ein Netzwerk in Ägypten, das sich bis ins letzte Dorf spannt. Das hat sich als entscheidend für die Mobilisierung der Wähler für Mohamed Mursi erwiesen. Auf der anderen Seite kann sich Ahmed Shafik als Mann des alten Regimes auf Netzwerke der alten Regierungspartei stützen. Die Ägypter haben in der Stichwahl die Auswahl zwischen einem Islamisten und einem Mann Mubaraks. Alle, die anders waren und etwas Neues bringen wollten und liberalere Ideen hatten, sind aus dem Rennen.
Was tut das "liberale Lager"?
In der Stichwahl wird es um die Frage gehen, wie sich jene 40 Prozent verhalten, die nun "rausgeflogen" sind. Stimmen sie tatsächlich für einen Mann des alten Regimes um die Islamisten zu verhindern? Oder werden sie die Islamisten wählen, weil sie nicht das alte Regime zurückhaben wollen? Für viele ist Shafik ein "Mann mit Blut an den Fingern" und sie wollen nicht, dass das alte Regime mit Korruption, Folter und Polizeiwillkür über diesen Mann wieder zurückkommt. Auf der anderen Seite wollen viele verhindern, dass die Muslimbrüder neben der Parlamentsmehrheit auch noch das Präsidentenamt besetzen und aus Ägypten möglicherweise einen islamischen Staat machen.
Verrat an der Revolution?
Die Situation wird auf jeden Fall sehr polarisierend sein: Wenn die Muslimbrüder alles kontrollieren, wird sich das sekulare liberale Lager ausgeschlossen fühlen. Und gewinnt Shafik, dann fühlt sich die gesamte Revolution mehr oder weniger verraten.