Viertgrößte Volkswirtschaft in Nöten
Spaniens Furcht vor dem Euro-Rettungsschirm
Spanien ist nach Griechenland der nächste Wackelkandidat in der EU. Täglich wird darüber gerätselt, wann das Land unter dem Euro-Rettungsschirm Zuflucht sucht. Die Regierung in Madrid wehrt sich dagegen. Doch Experten in Brüssel warnen - Spanien könnte die Zeit davon laufen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 30.5.2012
Banken sitzen auf faulen Krediten
Der spanischen Wirtschaft geht es nicht so schlecht wie der griechischen. Aber Spanien ist die viergrößte Volkswirtschaft in der Eurozone - und allein deshalb die viel größere Gefahr. Vor allem die Lage der spanischen Banken macht Sorgen. Sie plagen sich immer noch mit ihren faulen Milliardenkrediten herum, Kredite, die niemand mehr zurückzahlen wird, nachdem Häuser, Wohnungen und Grundstücke enorm an Wert verloren haben.
Zu heißes Eisen
Dasselbe Lied, vielfach gehört. Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy wird nicht müde zu betonen, dass Spanien den Schutz des Euro-Rettungsschirms nicht braucht - auch nicht für die angeschlagenen Banken. Und er bekommt Schützenhilfe von der EU-Kommission.
Beschwichtigend verweist ein Kommissionssprecher die Berichte über baldige spanische Hilfsansuchen ins Reich der Spekulation: „Wir haben es mit einer Regierung zu tun, die die Probleme des Bankensektors klar benennt und alles unternimmt, um den Sektor zu sanieren und das Vertrauen der Märkte wieder herzustellen“.
Neues Bankendesaster
Das Vertrauen scheint aber nicht zurückzukommen. Über das Pfingstwochenende wurde bekannt, dass die viertgrößte spanische Bank Bankia nach einer Spritze von viereinhalb Milliarden Euro noch einmal 19 braucht. Die Regierung wird das großteils aus dem Budget stemmen müssen und damit das ohnehin ausufernde Defizit noch weiter steigern. Der ursprünglich beabsichtigte Weg über die Europäische Zentralbank dürfte versperrt bleiben.
Experten raten zu Rettungsschirm
Höchste Zeit für Spanien, seine Banken international stützen zu lassen, wie das über den Euro-Rettungsschirm möglich ist, sagt Finanzexperte Szolt Darvas vom renommierten Brüsseler Bruegel-Institut: „Spanien sollte um Hilfe für seine Banken ansuchen. Das würde den Markt beruhigen und das Risiko vermindern, dass das Land den vollen Schutz des Rettungsschirms braucht, wie Griechenland, Irland und Portugal“.
Die spanischen Banken haben bis zur Finanzkrise 2008 Milliarden in den Immobiliensektor gepumpt - bis die Blase geplatzt ist und viele Kreditnehmer nicht mehr zahlen konnten. Die Schätzungen für den Sanierungsbedarf reichen von 50 bis 150 Milliarden Euro.
Madrid wehrt sich noch
Die spanische Regierung wehrt sich noch gegen den Schutz des Rettungsschirms. Denn das heißt, dass die Entscheidungsgewalt über Aufsicht und Regulativ dann wo anders liegt, und das empfindet die Regierung als politischen Offenbarungseid, sagt Szolt Darvas vom Bruegel-Institut: „Kein Politiker will sich bei Griechenland, Irland und Portugal einreihen. Die Weigerung ist eine Mischung aus Stolz und Politik. Keine Regierung will von ausländischer Hilfe für die Wirtschaft abhängig sein“.
Doch Beteuerungen, wie sie aus Spanien zu hören sind, hat es auch schon früher gegeben: „Das war so in Griechenland, Irland und Portugal. Alle haben gesagt, sie brauchen keine Hilfe, bis der Druck der Märkte zu groß geworden ist“.
Wenn das Gleiche in Spanien passiert, geht Vertrauen verloren. Die Finanzierungskosten des Staates steigen, weil die Investoren Risikoaufschläge verlangen. Und wenn man nur wartet und sagt, dass alles in Ordnung ist, dann wird das Ergebnis ein anderes sein.
Schützenhilfe aus Brüssel
Die Risikoaufschläge auf spanische Staatsanleihen haben Rekordniveau erreicht, Spanien erreicht die Defizitvorgaben nicht. Die EU-Kommission dürfte heute Nachmittag vorschlagen, dem Land noch etwas Verschnaufpause zu geben. Der Euro-Rettungsschirm, der mit 500 Milliarden Euro dotiert ist, könnte mit der Stabilisierung der spanischen Banken wohl umgehen. Wenn Spanien als viertgrößte Wirtschaft der Eurozone umfassendere Hilfe braucht, könnte das auch zur Belastungsprobe für den Rettungsschirm selbst werden.