Danzig: Solidarność-Symbol und EM-Austragungsort
Ein Streik, der die Welt veränderte
Ein Streik polnischer Werftarbeiter im August 1980 veränderte die Welt. Von der polnischen Hafenstadt Danzig sprang der Funke des Aufstands aufs ganze Land über. Danzig gilt immer noch als "Wiege der Solidarität". Heute ist es einer der Austragungsorte für die Fußball-Europameisterschaft.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 9.6.2012
Unzufriedenheit und hohe Lebensmittelpreise
Im Sommer 1980 sprang der Funke von der Danziger Leninwerft aufs ganze Land über. Die Hafenstadt an der Ostsee gilt seit dem historischen Streik als Wiege der Solidarität, als Zentrum der polnischen Arbeiterbewegung.
An der Küste gärte es damals - die Lebensmittelpreise waren einmal mehr gestiegen. Am Morgen des 14. August 1980 begann der Streik. Da die Arbeiter das Werft-Tor bereits blockiert hatten, musste der damalige Gewerkschafter Lech Walesa über eine Mauer klettern, um die Führung des Streiks übernehmen zu können.
Der schnauzbärtige Elektriker hatte lange auf diesen Moment gewartet. Im Dezember 1970 hatte er erleben müssen, wie der Streik der Werftarbeiter blutig niedergeschlagen wurde.
Keine Angst mehr vor der Staatsgewalt
In den Bergwerken und Stahlhütten in Oberschlesien, in den Motorenwerken in Warschau und Posen, in Hunderten kleinerer Staatsbetriebe schlossen sich die Arbeiter dem Streik und den Forderungen der Danziger Werftarbeiter an.
Solidarnosc (Solidarität) war nicht nur der Name der ersten unabhängigen Gewerkschaft im kommunistischen Machtbereich, Solidarität mit den Streikenden ließ auch Zehntausende Polen die Angst vor der Staatsgewalt vergessen.
Danzig: Heute nur noch Überreste
Am 31. August 1980 stimmte die kommunistische Führung den Forderungen der Arbeiter zu, Forderungen, die längst über höhere Löhne hinausgingen: Eine freie Gewerkschaft und ein Denkmal für die Toten von 1970.
Den Nimbus der unbeugsamen Stadt der "Solidarnosc" hat Danzig noch immer, auch wenn die Werft nach dem Zusammenbruch des Kommunismus bankrottging. Wer heute durch das ehemalige Hafenviertel fährt, bekommt von den geschichtsträchtigen Werftbauten nicht mehr viel zu sehen. Nur das Werft-Tor und die Werkshalle, in der sich die Arbeiter während des zweiwöchigen Streiks versammelt hatten, sind erhalten geblieben.
Solidarnosc-Ausstellung soll umsiedeln
Zwischen den wenigen erhalten gebliebenen Bauten soll nun ein neues Stadtviertel entstehen. Die Danziger Werft ist immer noch ein Anziehungspunkt für Touristen und Schulklassen.
Im Gebäude der Gewerkschaft Solidarnosc - die heute bei weitem nicht mehr den Einfluss hat wie in den Jahren 1980 und 1981 - befindet sich vorübergehend die Ausstellung "Wege zur Freiheit", die der polnischen Arbeiter- und Bürgerrechtsbewegung gewidmet ist.
Im Jahr 2013 soll sie in das Zentrum der Europäischen Solidarität umziehen, das zur Zeit auf dem einstigen Werftgelände entsteht.
Austragungsort für Viertelfinale
In den kommenden Wochen wird die Hafenstadt aber auch wegen eines anderen Ereignisses im Mittelpunkt stehen: In Danzig bestreitet Titelverteidiger Spanien alle drei Gruppenpartien, zudem ist die Stadt Gastgeber für ein Viertelfinale. Und die deutsche Nationalmannschaft hat ebenfalls in Danzig Quartier bezogen.
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