Kritik am Austragungsort der Europameisterschaft

EM in der Ukraine: Boykott und Korruption

In Warschau wird am Freitag die Fußball-Europameisterschaft eröffnet. In Polen verläuft derzeit alles reibungslos, in der Ukraine häufen sich dagegen die Probleme. Abgesehen vom politischen Boykott der Spiele in der Ukraine dürfte auch die Austragung der EM für das Land alles andere als ein wirtschaftlicher Erfolg werden.

Morgenjournal, 8.6.2012

Markus Müller aus Kiew

Gute Stimmung in der Bevölkerung

In der Fan-Zone von Charkiw wird bis zum Anpfiff des ersten Spiels noch gearbeitet. Da findet die Generalprobe für die Eröffnungsfeier statt, dort wird noch Asphalt aufgetragen. Pünktlich zum ersten Match soll alles fertig sein, versichern die Organisatoren.

"Das ist eine große Sache und wir freuen uns darauf. Das Image der Ukraine in Europa wird sich auch verbessern. Wir haben uns lange vorbereitet und daher wird das Resultat gut sein", sagt Oleg, dessen Kinder beim Eröffnungsaufmarsch teilnehmen. Die Stimmung ist gut, die meisten Ukrainer freuen sich auf die ausländischen Gäste.

Heißes Eisen: Fall Timoschenko

Viele der Ehrengäste aus der Politik werden der Veranstaltung jedoch fernbleiben – aus Protest gegen die Haftbedingungen von Ex-Premierministerin Julia Timoschenko. Derzeit wird sie in Charkiw in einem Krankenhaus behandelt. Ihre Verurteilung wegen Amtsmissbrauchs sei Politjustiz, sagen viele ausländische Beobachter. Alexander Popow, dem für die EM zuständigen Vizebürgermeister von Charkiw, ist das Thema Timoschenko sichtlich unangenehm.

"Ich kann den Fall nicht kommentieren, das ist Sache des Gerichts. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass es auch in anderen Ländern Probleme mit hohen Beamten gibt. Aber dort beeinflusst das in keinster Weise die Durchführung von Sportveranstaltungen oder den Besuch dieser Länder."

Zum Schluss richtet Popow noch einen Appell an die ausländischen Fußballfans: "Ich möchte euch sagen: kommt nach Charkiw und begeistert euch für das Spiel! Politik ist Politik und Sport ist Sport!"

EM kostet Ukraine eine Stange Geld

Doch so leicht wird es nicht gehen, denn die Opposition will verhindern, dass sich Präsident Viktor Janukowitsch während der EM als großer Staatsmann präsentiert und so Punkte für die Parlamentswahlen im Herbst sammeln kann. Erst am Dienstag ist es nach einer Abstimmung im Parlament über den Status der russischen Sprache zu Ausschreitungen gekommen.

Die Opposition legt ihren Finger auch in eine andere offene Wunde: Die hohen Kosten der Spiele. Bis zu zwölf Milliarden Dollar soll die Ukraine für die Durchführung der Euro ausgegeben haben, schreiben ukrainische Medien. Der Großteil davon komme aus der Staatskasse.

Opposition: "Boykott gerechtfertigt"

Ein nicht geringer Teil dieser Gelder sei in die Taschen korrupter Politiker rund um Präsident Janukowitsch geflossen, sagt Valerij Dudko, ein Sprecher der Timoschenko-Partei.

Die Ukraine wollte mit der EM zeigen, dass sie bereit ist, Teil der europäischen Familie zu werden. Aber die jetzige Führung habe aus diesem "großen Geschenk" ein korruptes Vehikel gemacht um sich selbst zu bereichern.

Dazu komme die Verfolgung von Oppositionsführern sowie der Missbrauch der Justiz für politische Zwecke. Und wenn jetzt Politiker in Europa zum EM-Boykott aufrufen, dann würde dies zeigen, dass sie die Lage im Land richtig einschätzen, so Dudko.