Reportage: Griechische Spitäler vor Kollaps
Die ersten griechischen Krankenkassen sind bereits bankrott und auch den Krankenhäusern geht langsam aber sicher das Geld aus. Es mangelt an Personal, an Medikamenten, an medizinischem Material. Gleichzeitig wird die Zahl der Patienten immer größer. Griechenland läuft Gefahr, seine Bevölkerung nicht mehr medizinisch versorgen zu können.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 15.6.2012
Aus Athen berichtet Verena Gleitsmann.
Ansturm auf Spitäler
Die Hitze im Krankenhaus Hippokratio, einem der größten staatlichen Krankenhäuser in Athen, ist fast unerträglich. Doch die Wartezimmer sind zum Bersten voll. Dutzende Menschen drängen sich durch die engen Gänge der Ambulanz, sie warten stundenlang auf einen Termin. Seit Beginn der Krise ist dieses Bild zur Normalität geworden, erzählt der Kardiologe Costas Tsioufis, der einzige Arzt, der mit uns hier reden will, und das nur unter vorgehaltener Hand: "Die Krise hat den Leuten die Möglichkeit genommen, sich ihre Ärzte auszusuchen. Haben sich die Menschen früher auf viele Spitäler, auch auf die Privaten aufgeteilt, können sie sich das das jetzt nicht mehr leisten."
Mehr Kranke, noch mehr Schulden
Dazu kommt, dass es den Menschen auch gesundheitlich immer schlechter geht, sagt der Tsioufis: "Wir haben hier viel mehr Herzinfarkte, viel mehr kardiologische Probleme. Dafür gibt es verschiedene Gründe, den Stress oder das fehlende Geld für Medikamente. Ich fürchte, dass dieses Problem in den nächsten Monaten sogar noch größer werden wird."
Doch immer weniger Spitäler können diesem Ansturm an Patienten Stand halten. Sie können die Kosten für das medizinische Material nicht mehr tragen, sie können ihre Ärzte und Schwestern nicht mehr bezahlen. Und sie machen Schulden bei den pharmazeutischen Unternehmen, die jetzt ihr Geld einklagen.
Im Krankenhaus der zweitgrößten Stadt des Landes, in Thessaloniki, können seit Wochen viele Eingriffe nicht mehr durchgeführt werden. Und es ist nur mehr eine Frage der Zeit, bis das auch in Athen passiert, sagt Costas Tsioufas: "Noch haben wir alles, um qualitative Arbeit leisten zu können. Aber wir wissen nicht, wie lange wir noch das Geld dafür aufbringen können. Wir haben jeden Abend Angst vor dem nächsten Tag. "
Freiwillige Hilfe im Sozialzentrum
Noch kann Costas Tsioufas seine Patienten behandeln. Aber längst nicht mehr alle, denn mittlerweile ist jeder fünfte Grieche arbeitslos. Und wer keine Arbeit hat, der ist auch nicht versichert - und hat keinen Zugang mehr zu medizinischer Versorgung. Genau diesen Menschen will das Sozialzentrum in Abelokibi helfen, hier behandeln rund 200 Ärzte freiwillig diejenigen, die nicht mehr staatlich versichert sind. Einer von ihnen ist Giorgos Alexaki. Er ist mit seiner Frau hier, sie ist im fünften Monat schwanger: "Ich habe vor zweieinhalb Jahren meinen Job verloren, und kurz darauf meine Wohnung, jetzt leben wir auf der Straße. Wir haben drei Kinder und jetzt bekommen wir ein viertes. einige Male waren wir in den staatlichen Krankenhäusern, aber dort muss man oft etwas zahlen und das können wir uns nicht mehr leisten."
Emotionale Unterstützung
Neben ihm sitzt Maya Ziklaori, eine Georgierin, die seit zehn Jahren als Putzfrau arbeitet. Sie hat keine Papiere, keine Versicherung: "Ich habe seit Monaten Schmerzen im Bauch, aber ich kann es mir nicht leisten, in ein Krankenhaus zu gehen. Hier tun Sie für mich, was sie können. Ich bin hier auch zur Frauenärztin gegangen, da war ich seit acht Jahren nicht mehr.“
Seit vier Monaten gibt es das Sozialzentrum, erzählt Eleni Doulianaki, die hier gratis als Kinderärztin arbeitet. Bisher sind mehr als tausend Patienten gekommen: "Die Patienten werden immer mehr, sie werden immer jünger – und sie leiden körperlich und seelisch unter der Krise", sagt Eleni Doulianaki, die selbst arbeitslos und unversichert ist. Aber in dem Zentrum geht es nicht nur um die Medikamente, sondern auch um emotionale Unterstützung. Die Menschen im Krankenhaus Hippokratio sehen das vielleicht anders. Sie kämpfen jeden Tag um eine kostenlose medizinische Versorgung.