Zukunft der EU: Gemeinsame Schulden

Am Sonntag wählt Griechenland und ganz Europa ist gespannt. Denn von dieser Wahl geht auch eine Weichenstellung für die EU und vor allem die Eurozone aus. Die Griechen wollen zum überwiegenden Teil in der Eurozone bleiben, sollte sich das auch im Wahlergebnis widerspiegeln, wäre die Krise damit aber noch nicht vorbei.

Mittagsjournal, 15.6.2012

ORF-Korrespondentin Sabine Schuster berichtet aus Brüssel.

"Mehr Europa schaffen"

Europa müsse sich umgehend in Richtung echte Wirtschaftsunion bewegen, sonst spitzt sich die Lage weiter zu. Davon ist Janis Emmanouilidis vom European Policy Center überzeugt.

Der Chefanalytiker vergleicht die Krise mit einem Schneeball, der den Berg runterrollt, immer größer wird und gestoppt werden muss, bevor er zu groß ist: "Es gibt kaum noch zeitlichen Spielraum. Die Krise ist in einer entscheidenden Phase angelangt. Es sind wesentlich mehr Länder von ihr betroffen und es besteht die Gefahr, dass sie sich ausweitet. Und diese Gefahr besteht nicht irgendwann, sie besteht jetzt. Wenn man dieser Euro-Krise Herr werden will, muss man mehr Europa schaffen."

Damit die Märkte auch glauben, dass es Europa ernst meint, müssen die Staats- und Regierungs-Chefs starke Signale senden, ist der Politikwissenschaftler überzeugt.

Gravierendste Gefahr: Angst der Bevölkerung

Die Bankenunion, die eine gemeinsame Bankenaufsicht, Einlagegarantien und von den Banken selbst finanzierte nationale Rettungsfonds vorsieht, ist für Janis Emmanouilidis ein erster Schritt, denn die Banken stecken im Kern der Krise.

Der Druck und die Angst auch der Bevölkerung würden in vielen EU-Mitgliedsstaaten steigen, sagt Emmanouilidis: "Das ist die vielleicht gravierendste Gefahr, die man hat, nämlich dass die Bevölkerung das Vertrauen verliert und sagt, wir nehmen unser Geld von den Banken weg."

Vergemeinschaftung der Schulden essentiell

Daher müsse man im Bankensektor Ruhe schaffen, um dieses Negativszenario eines Bank Runs zu vermeiden. Dazu brauche man europäische Lösungen. Doch eine Reform der Banken allein ist nicht der Weg aus der Krise, sondern nur ein Puzzlestein, sagt Emmanouilidis.

Mittel- und langfristig müssten die Nationalstaaten Kompetenzen nach Brüssel abgeben - Stichworte Fiskalunion, Eurobonds, Schuldentilgungsfonds. Für den Chefanalytiker im European Policy Center kommt die Europäische Union an einem jedenfalls nicht vorbei, einer Vergemeinschaftung von Schulden.

Verbindlicher Fahrplan notwendig

Emmanoulidis glaubt an eine Kompromisslösung, in der Teile der Schulden vergemeinschaftet werden oder aber nur zukünftige Schulden: "Da gibt es Überlegungen, dass wenn man eine verbindlichere Haushaltspolitik hat, Partner gemeinsam für neue Schulden haften, die gemacht wurden, nachdem die Partner zugestimmt haben. Das könnte ein Weg sein, das wäre im Umfang geringer. Das würde entsprechend weniger Risiken bergen und ist damit auch politisch eher umsetzbar."

Derartige politische Reformen sind allerdings nicht in Wochen oder Monaten umsetzbar, sondern dauern Jahre. Janis Emmanouilidis erwartet, dass auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs Ende Juni Weichen für eine Weiterentwicklung der Europäischen Union gestellt werden. Ein verbindlicher Fahrplan dafür, wäre die Mindestanforderung als Signal an die Märkte.