Griechenland: "Böses Erwachen mit Syriza"

Ab morgen blickt die ganze Welt wieder nach Griechenland. In der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise in der Geschichte des Landes werden die 9,7 Millionen Wahlberechtigten am Sonntag ein weiteres Mal ein neues Parlament wählen. Laut den letzten Umfragen wird es ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der konservativen und bisher mitregierenden Nea Dimokratia und der linksradikalen und sparkritischen Syriza Partei.

Morgenjournal, 16.6.2012

Verena Gleitsmann sprach in Athen mit dem Historiker und Politikwissenschaftler Christos Katsioulis. Er leitet seit Mai das griechische Büro der Friedrich Ebert Stiftung in Athen.

Dringlichkeit für Koalition groß

Christos Katsioulis schätzt die Chancen für eine Koaltionsbildung nach der Wahl am Sonntag zwar höher ein als am 6. Mai, die Chancen seien aber immer noch nicht hoch genug. Der Kleinkrieg der Parteien finde weiter statt und der erschwere es, sich am Montag und Dienstag zusammenzusetzen und zu einem gemeinsamen Programm zu finden.

Die Dringlichkeit sei aber so viel größer als am 6. Mai, dass Katsioulis hofft, dass sich die Parteiführer entschließen können, eine Regierung zu bilden.

Tsipras in der Regierung möglicherweise anders

Ob die Syriza mit Alexis Tsipras in der Regierung Griechenlands Aus in der Euro-Zone bedeutet, bleibt Katsioulis zufolge abzuwarten. Es käme darauf an, was Tsipras in Regierungsverantwortung tue: "Als Opposition konnte er in aller Ruhe gegen das Memorandum wettern, konnte damit Stimmen sammeln."

Das könne anders aussehen, wenn er dann mit der Wahl konfrontiert sei, entweder das Memorandum zu kündigen und damit die Zugehörigkeit Griechenlands zur Euro-Zone zu gefährden oder sich mit den Partnern hinzusetzen und es in einer möglicherweise korrigierten Form umzusetzen.

Sparpaket auf jeden Fall neu verhandeln

Auf die Frage, warum jetzt auch die Konservativen eine Neuverhandlung des Sparpakets wollen, meint Katsioulis, es gehe darum, dass die Maßnahmen in diesem Sparpaket nicht in der Form funktionieren, wie man sich das versprochen hat. Die griechische Wirtschaft sei im Moment in einer wahnsinngen Rezession und das mache es extrem schwierig, die Sparziele zu erfüllen. Gleichzeitig mache es dieser Umstand objektiv notwendig, noch einmal über die Sparvereinbarung zu diskutieren.

Potenzial liege laut Katsioulis darin, die bisher verabschiedeten Spargesetze auch wirklich umzusetzen. Vieles von dem, was im Memorandum steht, sei zwar durch das Parlament gegangen, hänge aber jetzt in der Administration.

Forderungen wie in den Achtzigern

Dass die Syriza in der Regierung der Bevölkerung helfen wird, bezweifelt der Politologe Katsioulis. Alexis Tsipras sei zwar der jüngste Parteiführer, er verspreche aber Dinge, die die Parteien schon in den Achtzigerjahren versprochen hätten: mehr Staatsbedienstete, höhere Löhne. Die Frage sei aber, wo das Geld dafür herkommen soll.

Giorgos Papandreou habe 2009 gesagt, es gibt Geld, dafür wird er heute noch verspottet. Alexis Tsipras sage, es gibt kein Geld, tut aber so, als wäre Geld da. Katisioulis hält es für unrealistisch, was Tsipras Versprechungen enthalten: "Ich fürchte, dass es da ein böses Erwachen geben kann, wenn er wirklich an die Regierung kommt."