Angst der Griechen stärker als die Wut

Mit Erleichterung und Enttäuschung zugleich reagiert die griechische Bevölkerung auf das Wahlergebnis. Wahlsieger Samaras von der Nea Demokratie setzt auf Zusammenarbeit und will möglichst eine dritte Partei zusätzlich zur PASOK in der Regierung.

Mittagsjournal, 18.6.2012

Verena Gleitsmann berichtet aus Athen.

Erleichterung über Wahlergebnis

Freud und Leid, diese beiden Gefühle liegen am Tag nach der Wahl hier in Griechenland nahe beisammen. Knapp aber doch haben die Griechen der Konservativen Nea Demokratia die meisten Stimmen gegeben, jener Partei, die an den Sparvereinbarungen mit den internationalen Geldgebern festhalten will. Griechenland hat wieder eine Zukunft, sagt der 20-jährige Jannis: "Wenn Syriza den ersten Platz gemacht hätte, wäre das eine Katastrophe gewesen. Gottseidank hat Nea Demokratia gewonnen, und wir können in der Eurozone bleiben. Da ist sehr gut für unser Land."

Auch der 60-jährige Angelos ist froh über das Ergebnis. Denn noch mehr Aufregung hätte das Land nicht überlebt, sagt er: "Die Leute haben weise entschieden. Und nicht auf diejenigen gehört, die Griechenland zerstören wollen." Maria lebt im Ausland, nach Griechenland ist sie extra für die Wahlen gekommen. Auch sie hat den Konservativen ihre Stimme gegeben. Aus Furcht davor, dass es ihrer griechischen Familie sonst noch schlechter gehen könnte: "Ich bin sehr erleichtert. Wir werden in jedem Fall in der Eurozone bleiben. Auch wenn es hart wird für die Leute."

Unzufriedenheit bleibt

Die Angst vor dem Neuen hat über die Wut über das Alte gewonnen. Verstehen kann das die Studentin Katerina aber nicht. Sie hat am Sonntag die radikallinke SYRIZA-Partei gewählt: "Das Ergebnis gefällt mir überhaupt nicht. Die Nea Demokratia war die Partei, die dabei geholfen hat, uns zu zerstören, und jetzt ist sie auf Platz eins." Auch ihre Freundin Sofia ist enttäuscht von ihren Landsleuten: "Die Leute wählen immer noch das gleiche wie damals, als das ganze Desaster begonnen hat."

Die 35-jährige Anna hat sich ebenfalls mehr erwartet: "Ich bin sehr enttäuscht, denn ich habe mir mehr von der Wahl erwartet. Aber vielleicht wird es trotzdem eine Veränderung geben, Syriza wird in die Regierung aus der Opposition heraus zu Veränderungen zwingen. Denn die müssen passieren, sonst gibt es hier bald eine Katastrophe."

Samaras will Kooperation

Dass er etwas verändern muss, das weiß auch Wahlsieger Antonis Samaras. Denn auch er hat in seinem Wahlkampf immer und immer wieder versprochen, die Bedingungen für das griechische Volk zu verbessern: "Griechenland braucht jetzt eine Regierung, eine Regierung, die dem Land wirtschaftliches Wachstum bringt und den Menschen Arbeit. Die Leute sollen wissen, das Schlimmste ist vorbei. Die Arbeitslosigkeit darf nicht mehr länger eine Wunde unserer Gesellschaft sein. Wir werden zusammenarbeiten."

Wer mit wem?

Mit wem er das machen will, das ist allerdings noch unklar. Die Nea Demokratia stellt 129 Sitze im Parlament, 151 braucht sie für eine Mehrheit. Am wahrscheinlichsten ist es, dass die Konservativen mit der Sozialistischen PASOK-Partei zusammenarbeiten, sie könnten 33 Mandate beisteuern. Doch für eine starke Mehrheit braucht Samaras weitere Verbündete: "Ich fordere alle Parteien auf, sich auf einen pro-europäischen Kurs zu besinnen und mit uns zu regieren." Möglicher dritter Partner könnte die Demokratische Linke unter Parteichef Fotis Kouvelis werden. Mit ihr säße eine Regierung 179 Sitzen fest im Sattel. Montagnachmittag wird Staatspräsident Karolos Papoulias Samaras den Auftrag zur Regierungsbildung geben. Und die Griechen hoffen, dass es diesmal schnell geht.