Koalitionäre Einheit vor EU-Gipfel

Während Europa gebannt auf Griechenland schaut, haben zum ersten Mal seit sie die Regierung bilden, Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger vor einem EU-Gipfel ihre gemeinsamen Positionen dargelegt - mit den abgestimmten Wunschbegriffen Finanztransaktionssteuer, Wachstumsimpulse in der Krise und Weiterentwicklung der EU. Beschlüsse zu diesen Wünschen wird es beim Gipfeltreffen nächste Woche aber nicht geben.

Mittagsjournal, 20.6.2012

Rückenwind aus Paris

Es gilt das Prinzip Hoffnung. Sowohl der Bundeskanzler als auch der Vizekanzler hoffen, am EU-Gipfel nächste Woche weitere Staaten davon überzeugen zu können, dass die Finanztransaktionssteuer etwas Gutes ist und eingeführt werden muss. Rückenwind bekamen sie vom Gipfel der 20 wichtigsten Industrienationen. Bei dessen Abschluss sagte der neue französische Präsident Hollande, man solle weniger darüber reden und es einfach machen. Gemeint ist: die Finanztransaktionssteuer nächstes Jahr einzuführen.

Spindelegger für Etappen-Einführung

Sowohl Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) als auch Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) rechnen allerdings nicht mit einem Beschluss auf diesem Gipfel, und auch nicht mit einer breiten Mehrheit für diese Steuer. Vizekanzler Michael Spindelegger skizziert die Strategie: Die Finanztransaktionssteuer sollten alle EU-Länder einführen, das scheitere derzeit an Großbritannien. Zweite Etappe sei eine Einführung in der Euro-Zone und dritte Etappe, alle Länder die dies wollten sollten sie jetzt schon einführen.

Faymann optimistisch

Bundeskanzler Werner Faymann gibt sich optimistisch, dass man genügend Partner für die Finanztransaktionssteuer mit an Bord hat. Wenn aus der Euro-Zone Viele dafür seien und einige von außerhalb dann sei das stark genug, um die Finanztransaktionssteuer einzuführen. Grünes Licht erwartet aber auch Faymann am Gipfel nächste Woche noch nicht.

Direktwahl des EU-Kommissionspräsidenten

Zweites wichtiges Thema aus Sicht der Regierung: der Umbau der EU. Zehn Außenminister haben ein Diskussionspapier vorgelegt, das unter anderem die Direktwahl des EU-Kommissionspräsidenten durch die europäischen Bürger vorschlägt - derzeit wird er vom Parlament gewählt. Alle Vorschläge, die die Außenminister in die Diskussion einbringen, sind allerdings mit gravierenden Vertragsveränderungen verbunden - und damit auch mit einer Volksabstimmung in Österreich. Diese Umbaupläne der EU-Architektur sollen, so wünscht es sich die österreichische Regierungsspitze, in einem Konvent erarbeitet werden. Aus der Vergangenheit weiß man, dass so ein Konvent über Jahre arbeitet, ehe es Ergebnisse gibt.

Grüne mit an Bord

Beides, sowohl die Finanztransaktionssteuer als auch der demokratiepolitische Umbau der EU hat auch eine innenpolitische Komponente. Die Bemühungen darum sind nämlich für die Grünen eine Bedingung für die Zustimmung zum dauerhaften europäischen Rettungsschirm ESM. Um ihn verfassungsmäßig zu verankern, braucht die rot-schwarze Koalition eine Oppositionspartei und hat die Grünen davon überzeugen können.