Ägypten: Proteste gegen Militärrat

Nach der Verzögerung der Kundmachung des Ergebnisses der Präsidentenwahl in Ägypten wächst die Wut der Islamisten. Am Freitag strömten Hunderte von Anhängern der Muslimbruderschaft auf den Tahrir-Platz in Kairo, wo sich am Nachmittag Tausende zu einer Protestkundgebung gegen den herrschenden Militärrat unter Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi versammeln wollten.

Mittagsjournal, 22.6.2012

Wird Wahl wiederholt?

Die Muslimbrüder machen geltend, ihr Kandidat Mohammed Mursi habe bei der Stichwahl am vergangenen Wochenende mit 52 Prozent der Stimmen seinen Konkurrenten, den letzten Ministerpräsidenten der Mubarak-Ära, Ex-General Ahmed Shafik, besiegt. Die Wahlkommission hat das Ergebnis jedoch wegen möglichen Betrugs in zahlreichen Wahllokalen bisher nicht veröffentlichen lassen. Angeblich überlegt sie, die Wahl in mehr als 100 Wahlbezirken wiederholen zu lassen.

Drohung mit "zweiter Revolution"

Saad al-Husseini, ein führendes Mitglied der Muslimbruderschaft, wurde von lokalen Medien mit den Worten zitiert: "Wenn Shafik zum Präsidenten erklärt wird, dann ist dies ein Putsch, der Angst einflößt, und eine Verfälschung des Willens der Ägypter. Dann wird ganz Ägypten gegen dieses Verbrechen aufstehen." Andere Mitglieder seiner Bewegung drohten mit einer "zweiten Revolution".

Auch andere Parteien

An der Protestaktion auf dem Tahrir-Platz wollten sich auch Angehörige anderer islamistischer wie auch linker Parteien beteiligen. Der Protest richtet sich nicht nur gegen die Verzögerung bei der Verkündung des Wahlergebnisses, sondern auch gegen das Vorgehen des Militärrates, der sich die gesamte exekutive und legislative Macht angeeignet hat. Er hat das von den Islamisten dominierte Parlament aufgelöst, die Vollmachten des künftigen Staatspräsidenten stark beschnitten und sich auch die Federführung bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung gesichert.

Internationale Kritik

Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat dem Militär Machtmissbrauch vorgeworfen. "Die unermüdliche Ausweitung der Vollmachten, um Zivilisten festzunehmen und abzuurteilen, geht derzeit weit über die Vollmachten unter Mubarak hinaus", erklärte Joe Stork, der Nahost-Direktor der Organisation, am Donnerstag in New York. Die verfassungsrechtlichen Erlässe des Obersten Militärrates seien "das jüngste Anzeichen dafür, dass es am 30. Juni keine substanzielle Machtübergabe an eine zivile Regierung geben wird". (Text: APA, Red.)

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