Schulexperten des ÖVP-Chefs gegen Parteilinie
Die ÖVP gilt in Sachen Bildungsreform als Bremserin, weil sie es machtbewussten ÖVP-Landesfürsten und den beharrenden Kräften in der ÖVP-dominierten Lehrergewerkschaft recht machen möchte. Jetzt kommt nach dem Bildungsvolksbegehren neuer Druck, diese Blockade zu beenden. Und das ausgerechnet von einer Experten-Plattform, die ÖVP-Chef Michael Spindelegger ins Leben gerufen hat.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 11.7.2012
Papier zugespielt
Die mehr als 200 Experten, die er gerufen hat, wird ÖVP-Obmann Spindelegger nun nicht mehr los. Es ist eine Art Think Tank, der der ÖVP bis Herbst Handlungsanleitungen liefern soll und "Unternehmen Österreich 2025" heißt. Mit dabei sind bekannte Persönlichkeiten wie die frühere Bankerin und WU-Vizerektorin Regina Prehofer, Siemens-Chef Peter Löscher, Voest-Chef Wolfgang Eder, aber auch Flüchtlingshelferin Ute Bock. Eine der zehn Experten-Gruppen befasst sich mit Bildung und Lernen, die entsprechenden Vorschläge sind dem Grünen Bildungssprecher Harald Walser zugespielt worden. Dessen Resümee: "Es ist bemerkenswert, dass die Expertinnen und Experten der ÖVP im Gegensatz zur Partei für die Ganztagsschule, das Volksbegehren, die Gesamtschule und Bundeskompetenz sind. Wenn sich die ÖVP auf dieses Papier verlassen würde, dann hätten wir große Übereinstimmung."
Zentrale Volksbegehren-Forderungen
Tatsächlich bekennen sich zahlreiche Mitglieder von Spindeleggers Expertengruppe zu den Zielen des Bildungsvolksbegehrens - wie die echte Ganztagsschule mit auf Vormittag und Nachmittag verteiltem Unterricht. Die Experten sind auch für eine einheitliche Bundeskompetenz für alle Schulen der Sekundarstufe eins und für ein bundeseinheitliches Kindergartengesetz mit einem Bildungsplan für den Kindergarten - zentrale Forderungen des Volksbegehrens.
Und auch zur gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen bekennen sich die Experten mehr oder weniger offen: "Die bisherige Fokussierung auf die Aufteilung von Kindern auf zwei Schultypen im Alter von zehn Jahren nimmt so viel Zeit und Energie auf schulischer und politischer Ebene in Anspruch, dass das eigentliche Ziel einer potential-orientierten Leistungsdifferenzierung vernachlässigt wird." Und in der Folge komme es aufgrund der uneinheitlichen Schnittstelle nach der achten bzw. neunten Schulstufe zu "vielfach suboptimalen Bildungsentscheidungen", heißt es im Papier weiter. Die Folgen seien fatal: Unzufriedenheit, Arbeitslosigkeit, soziales Außenseitertum.
"Mangel an Umsetzungswillen"
Ein Befund, den sich die ÖVP zu Herzen nehmen sollte, meint der Grüne Walser: "Die Expertinnen und Experten sind fürs 21. Jahrhundert, jetzt müsste sich noch das Personal aus dem 19. verabschieden, dann ging's in die richtige Richtung." Und auch die Experten schreiben es der ÖVP ins Stammbuch. Zitat: "In Bildungsfragen mangelt es nicht an der Analyse, sondern am Umsetzungswillen und an der Fähigkeit über den eigenen ideologischen Schatten zu springen."