Bürgerkrieg in Syrien: Experte "immer skeptischer"

In Syrien herrscht nun auch nach völkerrechtlicher Definition Bürgerkrieg. Das hat das Internationale Rote Kreuz festgelegt. Zugleich laufen diplomatische Bemühungen, Staatschef Bashar al Assad zum Einlenken zu bewegen. Aber Experten wie Volker Prethes von der Deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik werden immer pessimistischer.

Mittagsjournal, 16.7.2012

Volker Prethes von der Deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik im Gespräch mit Christian Lininger

Rebellen werden stärker

Spätestens seit Beginn dieses Jahres könne man tatsächlich von einem Bürgerkrieg in Syrien sprechen, sagt Perthes im Ö1 Internview. Die Rebellen seien gefährlich für das Regime, auch wenn sie es in seiner Existenz nicht gefährden könnten. Aber die Rebellen seien tatsächlich stärker geworden, sie scheinen immer mehr eine einheitliche Kommandostruktur zu bekommen und offenbar erhielten sie auch mehr Waffen. "Und sie werden aktiver, mutiger, und lassen sich vom Regime nicht mehr aus Damaskus vertreiben."

Symbolhafte Diplomatie

Die diplomatischen Anstrengungen, China und Russland doch noch zu Sanktionen gegen das syrische Regime zu bewegen, bewertet Perthes zurückhaltend: Ein Sanktionsbeschluss wäre vorerst vor allem ein symbolischer Schritt, der weiter zeige, wie isoliert das Regime Assad ist und dass auch die wichtigsten Verbündeten außerhalb der Region zeigen, dass das Regime seine Legitimität verloren habe.

Wie könnte aber eine Lösung aussehen? Perthes skizziert eine Entwicklung, die sich sehr grob an der des Jemen orientiert. Dort sei der Staatspräsident und seine engsten Mitarbeiter und Verwandten aus den Führungspositionen entfernt worden. Die formale Macht werde von einem Übergangspräsidenten übernommen, "der kein Blut an den Händen hat". Oppositionsmitglieder müssten in einer Übergangsregierung vertreten sein.

Zukunft als fragmentierter Staat?

Damit Assad einer solchen Lösung zustimmt, müssten ihm Menschen, auf die er noch hört, wie der russische Außenminister Lawrow, klarmachen, dass seine Ära vorbei sei. Die zweite wichtige Voraussetzung sei, dass es für ihn einen Ausweg gebe wie Exil in Russland, in Venezuela oder im Iran.

Allerdings hat Perthes immer weniger Hoffnung, dass derartige Pläne tatsächlich umgesetzt werden können. "Je länger dieser Bürgerkrieg sich entwickelt, desto schwieriger wird eine solche diplomatische Lösung." Die Alternativen sind laut Perthes ein langer Bürgerkrieg und ein Zerbrechen des Staates, dessen Bruchstücke von unterschiedlichen Gruppierungen gehalten werden.

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