In Indien geht das Licht aus

Das Licht geht aus, das Wasser fließt nicht mehr, die Verkehrsmittel stehen still: In Indien sind hunderte Millionen Menschen von einem Stromausfall betroffen. Ein Drittel des Landes muss seit Sonntagnacht ohne Elektrizität auskommen. Der Vorfall zeigt: Das Land wächst schneller als seine Stromversorgung.

Abendjournal, 30.7.2012

Robert Uitz

Stillstand des öffentlichen Lebens

In Indien waren mehr als 300 Millionen Menschen von einem der größten Stromausfälle seit mehr als zehn Jahren betroffen. In der Hauptstadt Neu Delhi sowie in sechs Bundesstaaten standen am Montag die Züge still, Krankenhäuser und Geschäfte mussten ihre Notfallgeneratoren einschalten. Pendler in der Hauptstadt warteten an den Bahnsteigen, weil die U-Bahn am Morgen zeitweise still stand. Ampeln fielen aus und verursachten ein Verkehrschaos. Auch die Wasserversorgung wurde in einigen Regionen unterbrochen.

Laut Indiens Energieminister stehen die Gründe für den Ausfall noch nicht fest. Man vermute eine Fehlschaltung oder eine hitzebedingte Panne. In Teilen Indiens herrschen derzeit bis zu 45 Grad. Möglicherweise ist das Stromnetz auch aufgrund von Überbelastung zusammengebrochen. Klimaanlagen und Ventilatoren laufen derzeit auf Hochbetrieb.

Versorgung teilweise wieder hergestellt

Neben der Hauptstadt Neu Delhi waren am Montag auch die Bundesstaaten Punjab, Haryana, Himachal Pradesh, Uttar Pradesh, Rajasthan, Jammu und Kaschmir vom Stromausfall betroffen. Wegen lang anhaltender Ausfälle haben in diesem Jahr bereits Menschen in Gurgaon und Uttar Pradesh mehrfach protestiert.

Bis zum Nachmittag konnte die Versorgung zu rund 85 Prozent wieder hergestellt werden. Die Ausfälle hatten in der Nacht auf Montag begonnen. Zehntausende Passagiere mussten auf verspätete Züge warten, hunderte Güterzüge fielen aus. Der internationale Flughafen von Neu Delhi lief über seine Notstromversorgung weiter.

Strombedarf übersteigt Produktionskapazitäten

Der massive Stromausfall macht die Energiekrise im schnell wachsenden Indien deutlich. Die genutzten Mengen an Kohle, Öl und Gas reichen nicht aus, um den Strombedarf im Land zu decken. Mithilfe von Solar- und Atomstrom will Indien die Energieproduktion steigern. Der geringe Monsunregen in diesem Jahr hat die Energiekrise weiter verschärft. Die Stromproduktion in Wasserkraftwerken ist angesichts nur mäßig gefüllter Stauseen im Vergleich zum Vorjahr um rund 15 Prozent eingebrochen, wie indischen Medien berichteten.

2001 und 2002 hat es die letzten großen Stromausfälle in Indien gegeben. Experten sind sich aber einig, dass die jetzige Krise erst der Anfang eines viel größeren Problems ist. Denn die Stromnachfrage steigt rasanter denn je - und neue Kraftwerksprojekte bleiben in der gefürchteten indischen Bürokratie hängen.