Jetzt auch in Buchform

Der Sommer als Joe Strummer kam

"Das ist bei Strummer schon immer drinnen, dass diese Songs eigentlich bis zum Bersten voll san, dass in an Nebensatz oder in an Beistrich oft eine echte Entdeckung wohnt", so Rainer Krispel über die Musik der Clash. "Die codierte Information, die in diesen Songs ist, also die Bücher, auf die es verweist, die Geschichte, auf die es verweist, das ist a so a Qualität von Musik."

Mit Rainer Krispel über Musik zu sprechen ist eine intensive Angelegenheit, vor allem wenn es um seine Idole geht - wie etwa den eben erwähnten Joe Strummer, Sänger und Gitarrist der britischen Punk-Band The Clash. Kein Wunder, dreht sich Rainer Krispels Leben doch vorwiegend um Musik: Der gebürtige Oberösterreicher arbeitete jahrelang als Booker, unter anderem fürs Wiener Veranstaltungslokal Chelsea. Er ist Musikjournalist und Musiker.

Aktuell betätigt er sich als Sänger bei The Red River Two, einem Musikprojekt mit Ernst Molden. Vor einem Jahr erschien sein erster Roman "Der Sommer als Joe Strummer kam" - als eBook. Und seit kurzem ist dieser Roman auch als Taschenbuch erhältlich.

Aus der Linzer Punkszene

Rainer Krispels Verleger trat mit der Bitte an ihn heran, "etwas mit viel Musik zu schreiben", "und dann war es sehr naheliegend, in der eigenen Biografie zu wühlen - in Anführungszeichen - und zu versuchen, anders als die Dokumentation, so a Art leichte Fiktionalisierung vorzunehmen und da a durchaus nahe an der eigenen Biografie die Jugend- und Punkjahre aufzuarbeiten", so Krispel. "Und auch diese Geschichte zu erzählen, weil es meines Wissens zumindest in Österreich sehr wenig solcher Bücher gibt, wo sozusagen subkulturelle Identitäten aus der Subkultur erzählt werden."

Bei dieser Subkultur handelt es sich um die Linzer Punkszene, der sich Rainer Krispel als Jugendlicher angeschlossen hatte. Hauptfigur im Roman ist Gustav, dessen Leben viele Parallelen zu dem von Krispel aufweist.

"Gustav, dieser Protagonist, wie auch ich, sind ja im Linz der späten 70er, Anfang der 80er, Mitte der 80er, groß geworden - in Anführungszeichen - und in einer Stadt wie Linz, die sich heute als Kulturstadt gebärdet oder gebärden möchte, damals aber eine Stahlstadt war von einer unglaublichen Grauheit und Eingeschränktheit und Engheit, ist Punk vor allem, wie in vielen anderen Orten, eine kulturelle Notwehr", meint Krispel.

Erinnerungen wie Flashlights

Der Titel des Romans führt auf eine falsche Fährte, denn inhaltlich geht es nicht nur um den einen Sommer, in dem Joe Strummer kam. Rainer Krispel lässt seinen Protagonisten Gustav in Erinnerungen schwelgen: die Absurdität politischer Diskussionen zwischen Vater und Großvater wird ebenso betrachtet wie Konzerttourneen mit der eigenen Punk-Band in England, oder Reaktionen der Lehrer auf sein Punk-Outfit.

"Das Buch verweigert sich ja eigentlich einer stringenten Chronologie", so Krispel, "was manche als verwirrend bezeichnet haben, aber das wollt ich schon so. Ja, weil diese Dinge ja wie Flashlights auftauchen: Wie funktioniert Erinnerung oder wie bastelt man sich denn seine Identität aus den eigenen Geschichten, die man erlebt hat? Und das war schon so ein Versuch mit so einzelnen Spotlights und die halt zu verbinden, hin und her zu fahren - gleichzeitig ist das auch was, was Musik leisten kann."

Elvis wer?

Musik und ihre Wirkung spielen eine große Rolle im Roman. Immer wieder werden Liedtexte zitiert und die Emotionen des Protagonisten mit einzelnen Musikstücken verknüpft. Rainer Krispel schildert außerdem zahlreiche Konzerterlebnisse sowie Begegnungen Gustavs mit namhaften Bands.

So lernte dieser Mitte der 80er zufällig Mitglieder der irischen Band The Pogues kennen und traf sie darauf auch beim Wiener Folkfestival in der Freudenau. Im Schlepptau der Band befand sich ein nicht ganz unbekannter Musiker.

"Ich wurde von Elvis Costello gegrüßt (lachen). Diese Geschichte ist tatsächlich wahr, also die ist wirklich sehr nahe an dem, wie das passiert ist, sagt Krispel. "Freunde von mir ham die Pogues kennengelernt, Shane McGowan und die anderen von The Pogues, und damals war tatsächlich der große Elvis Costello, den ich wirklich als Musiker sehr, sehr großartig finde, mit auf Tour in einem etwas derangierten Zustand, es dürfte ihm offensichtlich nicht sehr gut gegangen sein damals, und hat um die Bassistin der Pogues gefreit, was die anderen Pogues mit Häme (lachen) und durchaus disrespektierlichen Wortspenden kommentiert haben, und tatsächlich bin ich über die Freudenau geschlendert und Elvis Costello hat mich zuerst gegrüßt."

Einblick in die Szene

Neben den musikalischen Erlebnissen ist auch das Dasein als Punk Thema. Wobei der Roman keine allumfassende Erklärung dieser Subkultur geben möchte. "Menschen hamma gesagt, sie verstehen jetzt, was Punk ist, was i selber aus diesem Buch nicht herauslesen kann", so Krispel. Dafür bekommt man einen Einblick, wie die Stimmung war, damals im Linz der 80er Jahre. Rainer Krispel erzählt von Schlägereien mit Skinheads, willkürlichen Polizeikontrollen und aggressivem Verhalten von Teilen der Linzer Bevölkerung.

"Es wurde diesen harmlosen Punks, die höchsten Grad absurd eigentlich nur ausgeschaut haben, nicht gefährlich, nachgerannt. Die Polizei hat mich tatsächlich als 14-Jährigen kontrolliert, mein einziges Ausweispapier war ein Schülerausweis, ja, das heißt, dass so was dann auch die Bindung an so eine Idee wie Punk, die sich wehrt und alles in Frage stellt, vertieft."

"Punk kennt schon den Primaten, gleichzeitig hat's sehr viele Bands gegeben, die mit recht kühnen, intellektuellen und theoretischen Konzepte gearbeitet haben, und Robert Wolf von Chuzpe (Anm.: eine Wiener Punk-Band) hat auch gesagt, für ihn ist Bildung auch was total Wichtiges, der kommt aus einem proletarischen Background, und er sagt: über Bildung könn ma sozusagen den Eliten Paroli bieten und über Bildung gelingt es uns ja mitzuspielen im Spiel der Welt."

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Rainer Krispel, "Der Sommer als Joe Strummer kam", Edition kürbis

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