OeNB-Gouverneur zu den EZB-Plänen

In der Eurokrise hat die Europäische Zentralbank vor zwei Tagen beschlossen, unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern zu kaufen. Bei der entscheidenden EZB-Sitzung gab es nur eine Gegenstimme: jene des deutschen Bundesbankchefs Jens Weidmann. Österreichs Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny beschreibt die Stimmung bei jener EZB-Sitzung.

Mittagsjournal, 8.9.2012

Österreichs Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny im Gespräch mit Michael Csoklich

"Konstruktive Stimmung in EZB"

Der Nationalbank Gouverneur Österreichs, Ewald Nowotny, beschreibt die entscheidende Sitzung der Europäischen Zentralbank wie folgt: "Es war eine sehr konstruktive Stimmung, ich würde das alles nicht dramatisieren. Es hat auch der Präsident der deutschen Bundesbank an der Diskussion sehr konstruktiv teilgenommen, aber eben dann nicht zugestimmt. Per Saldo glaube ich, dass wir alle von derselben Idee beseelt sind, dass es darum geht, die Stabilität des Euro zu sichern." Von einem Ausscheren Deutschlands will Nowotny nicht sprechen, auch die deutsche Gegenstimme soll seiner Meinung nach nicht überbewertet werden, zumal das Gemeinsame überwiege. Der Nationalbank-Gouverneur betont aber: "Was richtig ist, ist, dass ich es für ganz wichtig halte, dass Deutschland nicht isoliert ist. Daher soll so ein Abstimmungsergebnis sicher kein Dauerzustand sein. Es ist jetzt eine spezielle Situation, aber ich glaube, das soll man nicht verallgemeinern. Deutschland ist aktiver Teil der Diskussionen der EZB."

EZB-Aktion wie ein Medikament

Die Risiken der geplanten Anleihenkäufe von Krisenstaaten erkennt Nowotny in zwei Punkten: "Das erste Risiko ist darin zu sehen, dass diese Maßnahme nicht isoliert von der EZB gesetzt werden kann. Damit das ganze wirksam ist, müssen auch die Staaten mitwirken. Ein zweites Risiko besteht darin, dass für die Notenbanken selber die Risiken ihrer Bilanz steigen. Es ist wie bei einem Medikament: Ich glaube, es ist ein wirksames Medikament, aber es hat Nebenwirkungen."

Anleihenkäufe bringen Zeit

Wie viel Zeit die EZB mit dieser Maßnahme gekauft hat, könne nicht beantwortet werden. Von der Politik fordert Nowotny, dass der Rettungsschirm ESM auch in Kraft treten müsse. Immerhin sei dieser Rettungsschirm Bedingung für die Auszahlung der Gelder. Die zweite Forderung betrifft "massive, durchgehende Reformen". Nowotny stellt fest: "Man muss das ganz offen und nüchtern sagen: Es geht hier um langfristiges Politikversagen – sei es im öffentlichen Bereich, dass hier ein aufgeblähter Staatsapparat ist oder auch im privaten Bereich, dass man eine Immobilienblase zugelassen hat. Das muss korrigiert werden. Dass ich diese Zeit bekomme, das ist der Sinn dieses Rettungsschirmes."