Gerüchte um verschwundenen Vizepräsidenten

Vizepräsident Xi Jinping, der als künftiger Führer des Landes vorgesehen ist, ist abgetaucht und seit nunmehr elf Tagen nicht mehr in der Öffentlichkeit erschienen. Auch mehrere Treffen mit ausländischen Staatsgästen wurden abgesagt. Das offizielle China schweigt eisern, was die Gerüchteküche weiter anfeuert. Xi Jinping könnte schon im kommenden Monat auf einem großen Parteitag das Amt des KP-Chefs übernehmen. Doch auch der genaue Termin für den Parteitag wird bisher geheim.

Mittagsjournal, 12.09.2012

Vizepräsident sagt Termine ab

Die kommunistische Partei schweigt über das Verschwinden von Xi Jinping. Niemand will beantworten warum der Vizepräsident, der schon in den nächsten Wochen zum Parteichef aufsteigen und im kommenden Frühjahr Präsident Chinas werden soll, einen offiziellen Termin nach dem anderen absagen lässt. Und das seit mittlerweile elf Tagen.

Ein Treffen mit Hillary Clinton, Singapurs Premierminister und zuletzt mit der dänischen Regierungschefin ließ er platzen. Der Vizepräsident habe sich am Rücken verletzt während er schwimmen war, wird eine anonyme Quelle in Nachrichtenagenturen zitiert. Fragen ausländischer Journalisten werden im Außenministerium abgewiegelt: Man habe dazu für die Journalisten keine Informationen. Es sei schon alles beantwortet, meint der Ministeriumssprecher.

Gerüchteküche brodelt

Von einem schweren Autounfall Xis ist die Rede. Verschwörungstheoretiker unter Chinas Bloggern meinen gar, dahinter könnten seine politischen Gegner stecken. Dafür gibt es aber nicht den geringsten Beleg. Ebenso wenig dafür, dass Xi vor dem geplanten Parteitag einen Maulkorb erhalten habe. Trotzdem hält die Partei eisern an alten Ritualen fest: nichts sagen, schweigen und mauern. Stattdessen werden die Zensoren nach vorne geschickt. Waren auf den Twitter-ähnlichen chinesischen Kurznachrichtendiensten zuerst Suchbegriffe wie Rückenverletzung oder Rückenschmerzen gesperrt, so kann man derzeit auch nicht mehr nach Beiträgen suchen, die den Namen Xi Jinping beinhalten.

„In China wird der Gesundheitszustand der obersten KP-Führer wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Trotz aller Wirtschaftsreformen sind die politischen Reformen in China zum Stillstand gekommen. Geht es um die Parteielite, wird genau wie in der Vergangenheit noch immer einfach alles geheim gehalten", sagt der Hong Konger Politologe Will Lam.

Informationen aus dem Ausland

Doch lässt sich die Diskussion darüber trotzdem kaum mehr stoppen. Denn viele Chinesen können mit Hilfe spezieller Software bereits die große Firewall, die die Zensoren errichtet haben, überwinden und aus ausländischen Medien Informationen erhalten. Oder auf ausländischen Blogs auch Gerüchte verbreiten.

Den ganzen Wirbel hat sich letztlich Chinas kommunistische Partei selbst zuzuschreiben, deren Geheimniskrämerei Gerüchte nährt, die mit der oft viel weniger spektakulären Wahrheit nichts zu tun haben. Vielleicht hat sich der Vizepräsident einfach nur den Rücken verrissen - doch auch das ist derzeit bloß ein Gerücht.