Krise dämpft Chinas Wirtschaftswachstum

Die Wirtschafts- und Finanzkrise in den USA und Europa hat immer stärkere Auswirkungen auf China. Das Wirtschaftswachstum ist zwischen Juli und September auf den niedrigsten Stand seit mehr als drei Jahren gefallen, liegt aber immer noch über sieben Prozent. Das hat die Statistikbehörde in Peking heute bekanntgegeben. Die chinesische Volkswirtschaft steht vor enormen Strukturproblemen.

Mittagsjournal, 18.10.2012

Schwache Exportnachfrage

Chinas Wirtschaft leidet auf hohem Niveau, möchte man zumindest auf den ersten Blick meinen. Das Wachstum im vergangenen Quartal war zwar das niedrigste seit gut drei Jahren, doch beträgt es immer noch 7,4 Prozent. Für westliche Industriestaaten wären dies Traumzahlen. Nicht jedoch für China, das in den vergangenen drei Jahrzehnten, seit Beginn der wirtschaftlichen Öffnungspolitik, meist zweistellige jährliche Wachstumsraten verzeichnen konnte. Die Schuldenkrise in Europa, die schlechte Konjunktur auch in den USA machen vor allem Chinas Exportindustrie zu schaffen. In den Exportzonen entlang der Küste klagen Unternehmer über schwindende Aufträge vor allem aus den krisengeschüttelten EU-Staaten.

Turbowachstum vorbei

Doch sind viele Probleme auch hausgemacht. Der Inlandskonsum ist nach wie vor zu schwach, die hohen Wachstumsraten lassen sich längst nur mehr durch massive öffentliche Investitionen in Infrastruktur oder staatsnahe Betriebe aufrechterhalten. Die Zeit des zweistelligen Turbowachstums dürfte endgültig vorbei sein, sagt der US-Ökonom Michael Pettis, der an der Peking-Universität lehrt, im ORF-Interview: "Ich denke, wir sehen derzeit ziemlich sicher das Ende des rasanten Wachstums. Auch wenn dringende Wirtschaftsreformen tatsächlich durchgeführt werden, so ist ein Wachstum von mehr als drei Prozent in China in den kommenden Jahrzehnten kaum vorstellbar. Das wird nicht sofort passieren, aber schon im nächst Jahren könnten wir auf sechs Prozent fallen und dann wird es langsam noch niedriger.“

Reformen dringend notwendig

Andere Ökonomen sind da optimistischer. Sie verweisen auf erste Anzeichen, dass die Talsohle überstanden und das Wachstum in den kommenden Monaten wieder leicht steigen könnte. Die Ankurbelung des Konsums, ein modernes Steuersystem, ein Ende der einseitigen Bevorzugung der großen Staatsunternehmen auf Kosten privater Unternehmer, die die meisten Jobs schaffen - all das sehen Ökonomen aber als dringend notwendige Reformen an. Und obwohl es über all das eine für chinesische Verhältnisse recht offene Debatte gibt, sind nach der Machtübergabe an eine neue Generation von Führern, die in den nächsten Wochen und Monaten schrittweise vollzogen wird, vorerst wohl keine bahnbrechenden Reformen zu erwarten. Die neuen Führer dürften zuerst versuchen, ihre Macht zu konsolidieren. Und da kommen Stabilität und Ruhe eben vor Reformeifer und Experimenten.