Gesundheitsreform: Viele ungeklärte Fragen

Vertreter der Bundesländer werden sich heute in Ehrwald in Tirol neuerlich mit der Gesundheitsreform beschäftigen und voraussichtlich ihren Willen bekräftigen, dass sie die Reform wollen. Gelöst ist damit aber noch nichts. Viele Fragen sind noch offen, betont ein Gesundheitsökonom.

Morgenjournal, 24.10.2012

Mehr als nur Papier?

3,4 Milliarden Euro müssen in Spitälern und Arztpraxen eingespart werden. Das steht außer Streit. 60 Prozent davon werden die Länder einsparen, 40 Prozent die Sozialversicherung. Auch das ist geklärt. Die Länder wollen jetzt aber noch zusätzlich 230 Millionen Euro von der Sozialversicherung bekommen. Die sagt aber, das sei nicht verhandelbar. Dieser Punkt ist also noch offen. Daran wird die Gesundheitsreform aber wohl nicht scheitern. Vielmehr geht es darum, ob sie mehr sein wird als ein paar Überschriften auf dem Papier.

Derzeit ist es so, dass die Länder für die Spitäler zuständig sind, die Sozialversicherung für die Arztpraxen, und keiner will sich in seinem Bereich dreinreden lassen. Künftig sollen Länder und Sozialversicherung gemeinsam in jedem Bundesland die Spitäler und Arztpraxen planen, steuern und finanzieren, die Vorgaben dafür kommen vom Bund - soweit der nicht ganz einfache Plan. Jetzt geht es darum, ob er auch funktioniert. Denn nach welchen Regeln Länder und Sozialversicherung gemeinsam planen und steuern, ist völlig offen.

Ungeklärte Verantwortung

Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS) hat da so seine Bedenken. Ungeklärt sei zum Beispiel, wer letztlich politisch verantwortlich ist, wenn Ziele nicht erreicht werden. Das jeweilige Land und die Sozialversicherung verwalten künftig gemeinsam das Gesundheitsbudget. Nach welchem Modus, ist offen: Wie werden Stimmrechte verteilt, werden Vetorechte eingeräumt? Thomas Czypionka nennt ein Beispiel: "Wenn die Wiener Gebietskrankenkasse die Ausgaben im Bundesland Wien mitverantworten soll, ist die Frage, ob sie beispielweise gegen Gehaltsabschlüsse im Spitalswesen ein Veto einlegen kann. Denn die haben direkte Budgetwirkung."

Zweifel an Sanktionen

Skeptisch ist der Gesundheitsökonom auch, dass es wirkungsvolle Sanktionen geben wird. Derzeit ist daran gedacht, einen Modus ähnlich dem der EU einzuführen. Die anderen Länder müssen einstimmig Sanktionen über ein Land verhängen, das die Ziele nicht erfüllt. Czypionka kann sich nicht vorstellen, "dass ein Bundesland über ein anderes sozusagen richten möchte. Im Zweifelsfall wird man also auf Sanktionen verzichten."

Werden all diese Punkte genau und streng geregelt, hält der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka die Gesundheitsreform aber für einen brauchbaren Kompromiss, mit dem auch die Einsparungsziele erreicht werden könnten. Derzeit wird über diese Regeln verhandelt. Festgeschrieben werden diese Regeln in einem Bund-Länder-Vertrag, der, geht es nach Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ), bis Jahresende ausgehandelt sein soll.