Parteitag der französischen Sozialisten

Die sozialistische Partei Frankreichs hält in Toulouse ihren ersten Parteitag nach der Wahl ihres früheren Vorsitzenden, Francois Hollande, zum französischen Staatspräsidenten ab. Der Parteitag wird anders als viele der vorhergehenden nicht durch Bruderzwist und Grabenkämpfe gekennzeichnet sein. Als neuer Generalsekretär der Partei wird Harlem Desir offiziell ernannt.

Morgenjournal, 27.10.2012

Ein große Tendenz

Das hat man bei Frankreichs Sozialisten lange nicht mehr gesehen: einen Parteitag, auf dem nicht vier oder fünf verschiedene Strömungen oder Persönlichkeiten ihre Grundsatzpapiere vorlegen, über die dann nach nächtelangen Diskussionen abgestimmt- und damit im groben die Richtung beschlossen wird, in die man gehen will. Nach zehnjähriger Opposition und den Wahlsiegen der Sozialisten vom Mai und Juni scheint alles ganz anders. Diesmal gibt es eine große Tendenz und die heißt Harlem Desir, der heute 52-jährige ehemalige Mitbegründer der Anti-Rassismus-Organisation "SOS Racisme" in den 80-er Jahren. Heute gilt der neue Parteivorsitzende Desir , der von Präsident Hollande gepusht wurde und für den 72 Prozent der gerade mal 150.000 sozialistischen Parteimitglieder gestimmt haben , als eher konturenloser Parteisoldat ohne Visionen und ohne wirkliche Durchsetzungskraft oder Hausmacht in der Parti Socialiste: "Die Partei und die Parlamentarier können die Aktion der Regierung bereichern. Sie sind eine unterstützende und total loyale Kraft, aber sie sollen auch die Reflektion und die Gesetzgebungsarbeit der Regierung nähren. Ich will eine sozialistische Partei , die ein Ohr für die Franzosen hat. Wenn wir auf die Franzosen hören, finden wir bei ihnen auch Gehör. Wenn die Partei permanent mit den Franzosen arbeitet, kann sie dauerhaft ihr Vertrauen behalten und der Regierung am besten helfen, dass sie sich nicht von der Gesellschaft entfernt. "

Starker linker Flügel

Die einzige namhafte und andere Tendenz, die sich auf diesem Parteitag - wie schon bei der parlamentarischen Abstimmung über den EU-Fiskalpakt - Gehör verschaffen wird, ist der von der jungen Generation dominierte linke Flügel der Partei, dessen Vertreter, Emmanuel Morel, von den sozialistischen Parteimitgliedern immerhin fast 30 Prozent der Stimmen bekommen hatte: "Nichts wäre schlimmer, als die Partei zuzusperren, weil man an der Regierung ist, eine tonlose, apathische Partei. Dieses Risiko besteht. Wenn man an der Macht ist, braucht man eine starke Partei, die selbstbewusst ist und autonom , in den Debatten und in der Aktion."

"Historisches Popularitätstief"

Insgesamt ist die Stimmung auf dem Parteitag der französischen Sozialisten trotz der Wahlsiege im Frühjahr alles andere als euphorisch - sind doch die Vertreter der Partei in der Regierung und an der Spitze des Staates innerhalb kürzester Zeit bei Meinungsumfragen in ein historisches Popularitätstief gestürzt. Die vehemente Wirtschaftskrise hat Frankreichs Sozialisten kalt erwischt, eine Partei, die in den letzten 15 Jahren - als vor allem ein gewisser Francois Hollande ihr Vorsitzender war - ohne es klar und deutlich zu sagen, so als wäre dies ein Schimpfwort, de facto zu einer sozialdemokratischen Partei wie andere in Europa auch geworden ist.