US-Wahl: Krisenstimmung schwächt Obama

Bei der Präsidentenwahl in den USA kann Barack Obama nicht mit dem Bonus des Amtshabers rechnen. Das Rennen wird knapp, wie Umfragen zeigen. Die Gründe dafür sind nicht offensichtlich. Für Michael Werz, Experte des "Centers für American Progress", hat Obama keine konkreten Fehler gemacht. Er sieht den Grund eher in der anhaltenden wirtschaftlichen Misere der USA.

Mittagsjournal, 5.11.2012

Michael Werz im Gespräch mit Hartmut Fiedler

Schlechte Stimmung

Amtierende Präsidenten haben üblicherweise sichere Chancen, im Amt bestätigt zu werden, nicht so Barack Obama. Für Michael Werz liegt das vor allem an der wirtschaftlichen Situation der USA, der relativ hohen Arbeitslosigkeit und der insgesamt schlechten Stimmung. Dazu komme nach den Kriegen in Afghanistan und dem Irak eine veränderte internationale Rolle der USA als einzige global handlungsfähige Macht. Es bestehe das Gefühl, dass man vollkommen überfordert ist, so Werz: "Immer sind die USA gefragt, und das hat eine Stimmung hier produziert, die sehr viel Verunsicherung erzeugt hat. Und das hat sich auch gegen den Amtsinhaber ausgewirkt."

Geduld überschätzt

Werz sieht keinen konkreten Fehler Obamas, meint aber, dass dieser die Belastbarkeit und Geduld der Amerikaner nach der Finanzkrise überschätzt habe. Die wirtschaftliche Entlastung sei ja nur in kleinen Schritten spürbar. Unterschätzt habe Obama auch die Langwierigkeit und Härte der Auseinandersetzung um seine Gesundheitsreform, was andere Reformprojekte in den Hintergrund gedrängt habe. Andere Leute hätten sich zum Klimawandel stärkere Worte gewünscht, vermisst werde auch nach wie vor ein Einwanderungsgesetz. Diese politischen Lücken will Obama laut Werz schließen, sollte er wiedergewählt werden.

Die Wahl werde auch nicht mit einem Thema entschieden werden, sondern mit einer Themenmischung, ist sich Werz sicher. Es gehe um die Frage, welcher Kandidat könne eine möglichst große Koalition aus unterschiedlichen Gruppen an die Wahlurnen führen.

Unberechenbarer Romney

Sollte Obama tatsächlich als Sieger aus der Wahl hervorgehen, dann deshalb, weil er legislative Erfolge vorweisen kann und weil ihm die Schwäche der in sich zerrissenen republikanischen Partei nützt. Zudem habe Obama beweisen, dass er in der Lage sei, die USA durch schwierige internationale Situationen zu führen. Sollte Obama scheitern, dann vor allem daran, dass er das Amt in einer schwierigen Zeit nach zwei Kriegen übernommen habe und eigentlich ständig im Krisenmodus agieren musste. Nun gehe es aber um die Erwartungen der US-Bevölkerung für die nächsten vier Jahre. Was von einem neuen US-Präsidenten Mitt Romney zu erwarten wäre, kann Werz kaum einschätzen: "Es wird darauf ankommen, welche Personen bei ihm im Weißen Haus das Sagen haben. Mitt Romney selbst hat sich auf eine geradezu erschreckende Art und Weise flexibel gezeigt, sodass man nicht genau weiß, wo er politisch steht." Romney sei zu extremen Wendungen gezwungen gewesen und habe sich auch darauf eingelassen, um die republikanische Parteibasis zu überzeugen. Nun vollziehe er 180-Grad-Wendungen und zeige eine Vergesslichkeit gegenüber den eigenen Positionen. Und dass man bei Romney nicht genau weiß, woran man bei ihm ist, könnte ihn Wählerstimmen kosten, so Werz.